Leitsatz (amtlich)

Der mit Sperrminorität ausgestattete Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH missachtet die Verbandssouveränität der Gesellschaft und verletzt die ihm als Gesellschafter obliegende Treuepflicht, wenn er in seiner Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit der Begründung übergeht, die Gesellschafterversammlung könne ihm stimmrechtsbedingt ohnehin keine gegenteiligen Weisungen erteilen.

 

Normenkette

GmbHG §§ 37, 46 Nr. 6, § 47 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

LG Stralsund (Urteil vom 21.07.2014; Aktenzeichen 3 HK O 34/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 21. Juli 2014 - 3 HK O 34/13 - geändert:

Es wird gemäß Antrag zu 5. festgestellt, dass die in der am 3. Juni 2013 in den unter der Adresse L. belegenen Räumen der Agroservice L. GmbH abgehaltenen Gesellschafterversammlung der Beklagten gefassten Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 4 bis 7 (Protokoll vom 3. Juni 2013, 15.30 h [I 104/105]) nichtig sind. Im Übrigen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Urteils leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wehrt sich in erster Linie gegen seine sofortige Abberufung als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses und die Einziehung seiner Geschäftsanteile, die die Beklagte am 3. Juni 2013 in einer ersten Gesellschafterversammlung (14.00 Uhr) beschlossen hat. Daneben ficht der Kläger Beschlüsse an, die die Beklagte unmittelbar nach der Einziehung seiner Geschäftsanteile in einer zweiten Gesellschafterversammlung (3. Juni 2013, 15.30 Uhr) gefasst hat, und weitere Maßnahmen, die die Beklagte - nachdem der Kläger in der am 29. August 2013 zum Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste nicht mehr aufgeführt wurde - in ihren Gesellschafterversammlungen vom 6. September 2013, 24. September 2018 und 12. November 2019 beschlossen hat.

Am 3. Juni 2013 war der Kläger Anteilseigner an der Beklagten, der von ihr beherrschten Agroservice L. GmbH (im Folgenden: Agroservice) und der Landwirtschaftsgesellschaft B. mbH (im Folgenden: LWG B.), die ihrerseits von der Beklagten und der Agroservice dominiert wurde. Die wechselseitigen Beteiligungen der einander verflochtenen Gesellschaften sind im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben (LGU 3-5). Geschäftsführer der Beklagten war der Kläger bis zu seiner Abberufung am 3. Juni 2013; in der LWG B. war er Geschäftsführer bis zum Widerruf seiner Bestellung am 20. Mai 2013 (K 19 [I 80]).

Bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages am 12. November 2019 (BK 3 [VII 48]) sah die Satzung der Beklagten in § 7 Abs. 2 vor, dass Gesellschafterbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit von mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Bei Einführung des qualifizierten Mehrheitserfordernisses im Oktober 2007 (BK 4 [VII 76]) war der Kläger an der Beklagten mit 28,07 % direkt beteiligt. Am 3. Juni 2013 hielt er an der Beklagten Anteile in Höhe von insgesamt 21,2 %; wegen ruhender Stimmen der Agroservice verfügte er jedoch über 28,19 % der stimmberechtigten Geschäftsanteile, mithin über eine Sperrminorität.

Die Ausübung dieser Sperrminorität durch den Kläger traf bei der Beklagten Anfang 2013 auf zunehmenden Widerstand der Mehrheitsgesellschafter, führte am 3. Juni 2013 zur restlosen Trennung vom Kläger (Abberufung/Kündigung/Einziehung) und bildet den Kern dieses Rechtsstreits. Die vom Kläger angefochtenen "Trennungs-"Beschlüsse vom 3. Juni 2013 rechtfertigt die Beklagte im Wesentlichen mit vorausgegangenen - in den nachstehenden Gründen im Einzelnen beschriebenen - Maßnahmen, die der Kläger entgegen dem Willen der Gesellschaftermehrheit und ohne eine deshalb gebotene Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung getroffen habe, und im Übrigen mit einer im Mai 2011 zu ihrem Nachteil vom Kläger für sich selbst ausgenutzten Geschäftschance - dem lukrativen Erwerb von weiteren Anteilen an der LWG B.

Letzteren Grund hält der Kläger für verwirkt, weil die Mitgesellschafter bereits am 31. Januar 2012 von seinem Anteilserwerb erfahren hätten. Zudem habe die Beklagte nicht bewiesen, dass der Verkaufsinteressent Be. seine Anteile überhaupt an sie veräußert hätte. Seine von der Beklagten beanstandeten Maßnahmen habe er als Geschäftsführer treffen dürfen, ohne zuvor eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen. Sie zählten - unstreitig - nicht zu den unter gemäß § 5 Abs. 5 der Satzung benannten Handlungen und stünden deshalb nicht unter dem Zustimmungsvorbehalt. Die Einberu...

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