Leitsatz (amtlich)
Die Berufung kann (entgegen der teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung) zulässigerweise auf den - fehlerhaften - Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beschränkt werden, wenn zur Beseitigung des Fehlers nur dieses Rechtsmittel zum Tragen kommt.
Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 01.08.2008; Aktenzeichen 4 O 428/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Stralsund vom 1.8.2008 - 4 O 428/07, zu Ziff. 4 des Tenors geändert:
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dergleichen Höhe leistet.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.
III. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger klagt im Urkundsprozess auf Zahlung aus einer Pensionszusage im Rahmen seiner Tätigkeit als vormaliger Geschäftsführer der Beklagten.
Er hat erstinstanzlich zu seinen Gunsten die von ihm begehrte Entscheidung erwirkt; die Beklagte wurde - unter Vorbehalt ihrer Rechte im Nachverfahren - verurteilt, an den Kläger 27.003,47 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2007 zu zahlen. In Ziff. 4 des Tenors hat das LG das Urteil - unter Verweis auf § 709 ZPO in den Gründen - für vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung eines Betrages, der den zu vollstreckenden Betrag um 15 % übersteigt, erklärt.
Wegen näherer Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Allein gegen die Vollstreckbarkeitsentscheidung wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.
Er bringt vor, das LG habe bei seiner Entscheidung über die Vollstreckbarkeit offensichtlich § 708 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO übersehen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Stralsund vom 1.8.2008 - 4 O 428/07, das Urteil für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären.
Die Beklagte hat von einer Antragstellung Abstand genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen. Die Parteien haben übereinstimmend ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren unter Verzicht auf die Einreichung weiterer Schriftsätze sowie auf die gesonderte Mitteilung des Verkündungstermins erklärt.
II.1. Die Berufung ist zulässig, ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob die Berufung auf den Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beschränkt werden kann (dagegen OLG Köln NJW-RR 2006, 66; LAG Mainz, NZA-RR 2006, 48; dafür OLG Nürnberg NJW 1989, 842; OLG München, FamZ 1990, 84; ebenso in der Lit. Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., §§ 708-720 Vorbem. Rz. 16; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Einf. §§ 708-720 Rz. 8; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 718 Rz. 4; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 716 Rz. 2 m.w.N.). Die besseren Gründe sprechen dabei für die wohl mehrheitliche Meinung, der sich der Senat anschließt.
Kann der Kläger keine Urteilsergänzung (§ 321 ZPO) verlangen, was ihm im Fall einer übergangenen, lückenhaften oder unvollständigen Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit möglich ist (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Krüger in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 716 Rz. 1), so verbleibt ihm in formeller Hinsicht, um eine fehlerhafte erstinstanzliche Vollstreckbarkeitsentscheidung in Wegfall zu bringen, nur das Rechtsmittel der Berufung. Denn § 716 ZPO ist in diesem Fall nicht anwendbar (MünchKomm/Krüger, a.a.O.). Beseitigt werden kann die Fehlentscheidung zur Vollstreckbarkeit im Urteil erster Instanz nur durch ein Urteil der zweiten Instanz. Deshalb ist schon aus Gründen des formellen Rechts nicht an dem Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel zu zweifeln, welches sich auf die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit beschränkt.
Die dagegen angeführte Erwägung (vgl. OLG Köln, a.a.O.), zwar sei bei einer fehlerhaften Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit die Beschwer des Rechtsmittelführers gegeben, weil die Vollstreckung erschwert werde, es mangele jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft wirke (§ 705 ZPO) und danach ohne Einschränkung vollstreckbar werde, so dass ein Interesse für eine isolierte Anfechtung der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht zu erkennen sei, überzeugt nicht. Denn unklar bleibt - jedenfalls für den Zeitraum der Rechtsmittelfrist, ob die durch das Urteil erster Instanz in der Hauptsache beschwerte Partei nicht ihrerseits vom Rechtsmittel der Ber...