Entscheidungsstichwort (Thema)
Parteireisekosten / Zeitversäumnis. Vertragsstrafe. Kostenfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Der gesetzliche Vertreter (oder sonst Beauftragte) einer Partei, die Juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ist, erhält bei einer Reise zur Terminswahrnehmung für die Zeitversäumnis ohne Nachweis den Höchstsatz nach § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG (Bestätigung von Senat, Die Justiz 1978, 405; MDR 1990, 635 = NJW-RR 1990, 1341 = JurBüro 1990, 889).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 2; ZSEG § 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 8W 327/77) |
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 8 W 60/90) |
Gründe
1. Die Klägerin – Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt – wendet sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen, dass bei den Parteireisekosten die beantragte Entschädigung für die Zeitversäumnis ihres Vertreters zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von 250.– DM (10 Stunden áa 25,– DM) von der Rechtspflegerin mangels Nachweises des „Verdienstausfalls” auf 40,– DM (10 Stunden á 4,– DM) gekürzt worden ist.
2. Das zulässige Kostenrechtsmittel der Klägerin hat im eingelegten Umfang Erfolg, weshalb der von der Rechtspflegerin abgesetzte Differenzbetrag von 210,– DM ergänzend gegen den Beklagten festzusetzen war.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind Parteireisekosten von gesetzlichen oder beauftragten Vertretern von juristischen Personen zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen (§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO) erstattungsfähig (Senat, Die Justiz 1978, 405), allerdings begrenzt auf jeweils einen Vertreter (Senatsbeschluss 8 W 365/98 vom 30. 4. 1999). Dabei ist ein Unterschied zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts nicht gerechtfertigt (Senat MDR 1990, 635 = NJW-RR 1990, 1341 = Jur.Büro 1990, 889 m. krit. Anm. Mümmler). Der Höhe nach hat der Senat die Entschädigung für die Zeitversäumnis nicht auf den Mindestbetrag (§ 2 Abs. 3 S. 1 ZSEG) begrenzt, sondern den jeweiligen Höchstbetrag gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG) zugebilligt, höhere Entschädigungen jedoch ausgeschlossen (zB 8 W 365/98). Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
a) Die Ansicht, die den Vertretern juristischer Personen überhaupt keine Entschädigung für Zeitversäumnis zugebilligt hat, weil die in Bezug genommene Norm des § 2 ZSEG auf natürliche Personen zugeschnitten sei, ist inzwischenfür juristische Personen des Privatrechts weithin aufgegeben (vgl. zB OLG Hamm NJW-RR 1997, 767 = MDR 1997, 206 = JurBüro 1997, 143 unter Aufgabe von JurBüro 1978, 596 und MDR 1984, 673; OLG Köln JurBüro 2000, 84 unter Aufgabe von JurBüro 1986, 1708; OLG Rostock, OLGR 2000, 237 mwNw; Zöller / Herget, 22. Aufl., Rn 13 „Zeitversäumnis”; MünchKommZPO / Belz, 2. Aufl., Rn 23, 81; Baumbach / Hartmann, 58. Aufl., Rn 294; Stein / Jonas / Bork, 21. Aufl., Rn 91; Wieczorek / Steiner, 3. Aufl., Rn 120, je zu § 91 ZPO, je mNw. auch zur Gegenmeinung).
Dabei hat sich in zunehmend stärkerem Maße die Auffassung durchgesetzt, dass ohne konkreten Nachweis regelmäßig der Höchstsatz von derzeit 25,– DM pro Stunde für höchstens 10 Stunden am Tag als Entschädigung zu gewähren ist (ebenso zB OLG Karlsruhe, Die Justiz 1981, 441; OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1400; OLG Hamburg JurBüro 1991, 1089; OLG Düsseldorf OLGR 1997, 360 = BB 1997, 2397 = AnwBl 1998, 284; OLG Brandenburg OLGR 1997, 15; OLG Köln, a.a.O.; insoweit abweichend: OLG Rostock aaO: 22,50 DM gem. § 287 ZPO). Teilweise wird die Entschädigung dagegen unter Heranziehung von § 2 Abs. 3 S. 1 ZSEG auf den Mindestsatz begrenzt (zB KG MDR 1985, 851).
b) Auch die Ansicht, dass der Vertreter juristischer Personen desöffentlichen Rechts und sonstiger Behörden Anspruch auf entsprechende Entschädigung für Zeitversäumnis gem § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG hat, hat inzwischen breitere Zustimmung gefunden (vgl. zB OLG Bamberg JurBüro 1992, 242 gegen JurBüro 1990, 210; OLG Karlsruhe RPfl 1993, 484; OLG Hamm aaO; Belz aaO; Musilak / Wolst, 2. Aufl., § 91 ZPO, Rn 10; aA zB Herget aaO „Behörde”; Thomas / Putzo, 22. Aufl., Rn 15 zu § 91 ZPO). Allerdings wird auch hier die Begrenzung auf den Mindestsatz vertreten (Mümmler in Anm zur Senatsentscheidung JurBüro 1990, 891; Hamm NJW-RR 1997, 767).
Da diese Entschädigung nach den Bemessungsgrundsätzen der Zeugenentschädigung ohnehin nicht geeignet ist, den tatsächlich durch Zeitverlust entstandenen Nachteil auszugleichen, sondern nur einen pauschalierten Aufwandsersatz darstellt, hält es der Senat für rechtlich geboten, auch hinsichtlich des Stundensatzes und seines Nachweises keine Unterschiede zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zu machen. Dies gilt umso mehr, als die in § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO genannten Terminsreisekosten eine ausdrückliche Ausnahme von dem Grundsatz bilden, dass der allgemeine Prozessaufwand einer Partei nicht erstattungsfähig ist.
Fundstellen
Die Justiz 2001, 361-362 (Leitsatz und Gründe) |
Haufe-Index 578847 |
JurBüro 2001, 484 |
JurBüro 2001, 484 (Leitsatz und G... |