Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung begleiteter Umgangskontakte und gerichtliche Anordnungen zur Förderung der Umgangsbereitschaft
Leitsatz (amtlich)
Auch bei Anordnung des betreuten Umgangs hat das Gericht diesen konkret nach Tagen, Uhrzeit, Ort und Abständen zu bemessen und darf dies nicht dem mitwirkungsbereiten Dritten überlassen. Die geltende Gesetzeslage bietet keine Grundlage zu einer gerichtlichen Verpflichtung der Eltern an einer Teilnahme an Beratungs- oder Therapiegesprächen (Aufgabe der früheren Rechtsprechung in FamRZ 2001, 932).
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 1-3
Verfahrensgang
AG Schorndorf (Urteil vom 14.06.2006; Aktenzeichen 7 F 119/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das Urteil des AG Schorndorf vom 14.6.2006 (7 F 119/05) in Ziff. 2 und Ziff. 3 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - FamG - Schorndorf zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Parteien sind seit dem 14.11.2006 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe hervorgegangen ist das gemeinschaftliche eheliche Kind M., geboren am ... 2003. Das Kind lebt seit der Trennung der Parteien am 7.2.2005 bei der Mutter.
Da sich die Eltern nicht über einen Umgang des Kindes mit dem Vater einig werden konnten, beantragte der Antragsgegner im Scheidungsverbundverfahren eine gerichtliche Regelung des Umgangs in der Hauptsache und im Wege der einstweiligen Anordnung. Im Anhörungstermin vom 30.6.2005 schlossen die Parteien folgende Vereinbarung:
1. Der Antragsgegner hat ein betreutes Umgangsrecht. Die Parteien unterschreiben beide den Antrag auf Übernahme der Kosten für den betreuten Umgang.
2. Dieser Umgang soll dann Samstags 14-tägig sein, soweit nicht vom Jugendamt oder dem Kinderschutzbund anderweitige Vorgaben gemacht werden.
Zu betreuten Umgangskontakten kam es danach nicht, vielmehr regte das Jugendamt am 5.10.2005 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beantwortung der Frage an, ob Kontakte zum Vater überhaupt dem Wohl des Kindes entsprechen.
Der gerichtliche Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 5.5.2006 zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein Umgang mit dem Vater dem Wohl des Kindes widersprechen könnte, insbesondere schloss er Traumatisierungen irgendwelcher Art aus.
Im abschließenden Verhandlungstermin im Scheidungsverbundverfahren am 30.5.2006 beantragte der Antragsgegner daraufhin die Anordnung eines betreuten Umgangs, die Antragstellerin beantragte, den Umgang des Vaters mit dem Kind auszuschließen.
Das FamG traf in der angefochtenen Entscheidung folgende Umgangsregelung:
2. Der Antragsgegner hat das Recht, mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind M., geb ... 2003 Umgang zu haben. Es wird ein begleiteter Umgang angeordnet, der vom Kreisjugendamt zu vermitteln ist.
Der weitergehende Antrag des Antragsgegners wird abgewiesen.
3. Es wird angeordnet, dass beide Elternteile Kontakt zur Erziehungsberatungsstelle für Familien und Jugendliche, zum Zweck der Einzelberatung jedes Elternteils aufnehmen bzw. - die Antragstellerin - fortführen.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel des Umgangsausschlusses weiter und wendet sich darüber hinaus gegen die Anordnung zur Fortführung der Beratung bei der Erziehungsberatungsstelle.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat in der Sache vorläufig Erfolg, da das FamG den Umgangsantrag des Antragsgegners bislang nicht abschließend und endgültig beschieden und darüber hinaus eine Anordnung getroffen hat, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt.
Wenn das Gericht mit einem Umgangsstreit befasst wird, wobei es eines konkreten Antrags des antragstellenden Elternteils nicht bedarf (OLG Köln v. 12.12.2001 - 26 WF 193/01, OLGReport Köln 2002, 175 = FamRZ 2002, 979), und eine gütliche Regelung nicht erreicht wird, darf es den Umgang nicht nur "dem Grunde nach" regeln, sondern hat entweder nach Tagen, Uhrzeit und Ort, Häufigkeit, Abholung und ggf. weiterer konkreten Modalitäten nach Bedarf Regelungen zu treffen, oder aber den Umgang für einen gewissen Zeitraum auszuschließen. Dieses Konkretheitsgebot gilt auch für den betreuten Umgang (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., Rz. 32 zu § 1684), insbesondere darf das Gericht die Regelung des Umgangs nicht einem Dritten überlassen, da dieser keine eigene Entscheidungskompetenz vom Gesetz zugewiesen erhalten hat (OLG Zweibrücken KindPrax 2003, 108; Weisbrodt, KindPrax 2000, 9 ff.).
Konkret bedeutet dies, dass das FamG - möglichst im Zusammenwirken mit dem mitwirkungsbereiten Dritten - ein Konzept dahingehend erarbeiten muss, an welchen Tagen, zu welcher Uhrzeit und in welchen Abständen an welchem Ort der betreute Umgang ausgeübt werden kann und wie die Modalitäten dahingehend zu regeln sind, dass die Mutter das Kind zum Umgangsort bringt und es von dort wieder abholt, ohne dem umgangsberechtigten Vater begegnen zu müssen, vor dem sie - unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Strafakten - nachvollziehbar Angst ha...