Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsverteidigung des auf Feststellung der Vaterschaft verklagten Mannes, der der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsverteidigung des auf Feststellung der Vaterschaft verklagten Mannes, der der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat, verspricht nur dann Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, wenn er Tatsachen vorbringt, die bei verständiger Würdigung ernstzunehmende Zweifel an seiner Vaterschaft begründen können. Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Liegt ein in diesem Sinne ordnungsgemäß begründeter Antrag auf Prozesskostenhilfe vor, bevor die Rechtsverteidigung auf Grund anderweitiger Erkenntnisse aussichtslos erscheint, ist trotz veränderter Erkenntnis nachträglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen (entgegen OLG Köln v. 24.5.2000 - 14 WF 58/00, OLGReport Köln 2000, 356 = FamRZ 2000, 1588).
Normenkette
ZPO § 114; BGB § 1600d
Verfahrensgang
AG Biberach (Beschluss vom 22.07.2004; Aktenzeichen 1 F 522/04) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des AG - FamG - Biberach v. 22.7.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulässige, fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe durch das FamG hat in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.
I. Das FamG hat dem auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch genommenen Beklagten unter Hinweis auf die Vaterschaftsvermutung des § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB Prozesskostenhilfe versagt, sodann die Kindesmutter und den Beklagten persönlich angehört und ein Sachverständigen-Gutachten eingeholt, das zum Ergebnis kam, die Vaterschaft des Beklagten sei "praktisch erwiesen". Der rechtzeitig (am 20.8.2004) eingelegten sofortigen Beschwerde des Beklagten hat es mit Beschluss v. 21.9.2004 (nach Eingang des Gutachtens) nicht abgeholfen. Der Beklagte hat seine Vaterschaft mittlerweile anerkannt, worauf die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
II. Für die Frage, ob dem Beklagten nunmehr nachträglich Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, obwohl die Aussichtslosigkeit seiner Rechtsverteidigung inzwischen feststeht, gelten folgende Erwägungen:
1. Nach weithin einhelliger Ansicht steht es der nachträglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen, wenn die Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Antragstellung bzw. Bewilligungsreife gegeben war, aber nachträglich durch ein überholendes Ereignis entfallen ist, bevor über die Prozesskostenhilfe entschieden wurde.
2. Streitig ist hingegen die davon zu unterscheidende Frage, von welchem Erkenntnisstand aus zu beurteilen ist, ob die Erfolgsaussicht zu diesem (ggf. früheren) Zeitpunkt bestanden hat (vgl. zum Meinungsstand Wax in MünchKomm/BGB, 2. Aufl., § 114 Rz. 157 ff.), ob es also der nachträglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegensteht, dass die (von vornherein fehlende) Erfolgsaussicht erst auf Grund nachträglicher Erkenntnisse festgestellt wird (nicht auseinandergehalten von OLG Köln v. 24.5.2000 - 14 WF 58/00, OLGReport Köln 2000, 356 = FamRZ 2000, 1588). Stellt man hierzu (entgegen Wax in MünchKomm/BGB, 2. Aufl., § 114 Rz. 157 ff.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 423) generell (OVG Bremen, Beschl. v. 14.2.2002 - 1 S 469/01, veröff. bei JURIS; OVG Hamburg DVBl. 2004, 844) oder doch in Fällen vorwerfbar verzögerlicher Bearbeitung durch das Gericht (OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 482) auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife ab, stellt sich die weitere Frage, ob die seinerzeit positive Erfolgsprognose die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auch dann noch rechtfertigt, wenn der Prozess in der Hauptsache endgültig zum Nachteil des Antragstellers entschieden oder sonst erledigt ist (OVG Hamburg DVBl. 2004, 844; a.M. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rz. 47; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 127 Rz. 16, jeweils m.w.N.).
3. Schließlich ist streitig, ob für die Beantwortung beider Fragen (Wann muss die Erfolgsaussicht bestehen bzw. bestanden haben? Von welchem Kenntnisstand aus ist dies zu beurteilen?) in einem Statusprozess der vorliegenden Art insb. für die Rechtsverteidigung dieselben Maßstäbe gelten wie im gewöhnlichen Zivilprozess.
Nur die letztere Frage steht zur Entscheidung an. Nach Auffassung des Senats folgt aus dem Verfassungsgebot der Rechtsschutzgleichheit i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG), das hinter der einfach-gesetzlichen Regelung in §§ 114 ff. ZPO steht (BVerfG v. 2.2.1993 - 1 BvR 1697/91, FamRZ 1993, 664; v. 3.6.2003 - 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216), sowie aus den Besonderheiten des Statusverfahrens, dass die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung eines auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch genommenen Mannes nicht, insb. nicht rückschauend nach durchg...