Leitsatz (amtlich)

Haben Gläubiger und Schuldner eines Unterlassungsanspruchs einen Prozessvergleich geschlossen, der für den Wiederholungsfall (lediglich) ein Vertragsstrafeversprechen enthält, kann dies nur dann im Sinne eines Verzichts auf das Ordnungsmittel des § 890 ZPO ausgelegt werden, wenn für einen solchen Erklärungswillen konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 24.10.2011; Aktenzeichen 17 O 608/11)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 03.04.2014; Aktenzeichen I ZB 3/12)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 17. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 24.10.2011 geändert.

2. Der Antragsgegnerin und ihren Geschäftsführern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die im Prozessvergleich vom 15.1.2009 - 17 O 736/08 - enthaltene Unterlassungsverpflichtung, nämlich es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu äußern, dass Schwing-Betonpumpen durchschnittlich 40 % weniger Kraftstoff im Pumpbetrieb verbrauchen und/oder dass Putzmeister-Betonpumpen bis zu 64 % Kraftstoff mehr verbrauchen, die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht mit der Maßgabe, dass Ersatzordnungshaft und Ordnungshaft an einem der Geschäftsführer zu vollziehen ist.

3. Die Schuldnerin/Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens in I. und II. Instanz.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.Beschwerdewert: 25.000 EUR

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig, sie hat der Sache nach auch Erfolg.

A Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen (entsprechend § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz zusammenfassend und ergänzend:

Die Parteien haben im Verfügungsverfahren einen Vergleich geschlossen, wonach die Verfügungsbeklagte, hiesige Schuldnerin/Beschwerdegegnerin, es unterlässt, gewisse technische Angaben zu machen (vgl. Beiakte Bl. 120 [vorgeheftet] = AST 1 = Bl. 5); weiterhin ist in diesem Vergleich geregelt:

2. Die Beklagte verpflichtet sich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Unterlassungsverpflichtung zu einer Vertragsstrafe i.H.v. 10.000 EUR. ...

4. Die Verfügungsklägerin verpflichtet sich, aus dieser titulierten Unterlassungsverpflichtung nicht vor dem 23.1.2009 (einschließlich) zu vollstrecken.

Nach Zustellung einer beglaubigten Abschrift dieses Vergleichs von Anwalt zu Anwalt hat die Gläubigerin/Beschwerdeführerin beantragt, den Vergleich mit einer Ordnungsmittelandrohung gem. § 890 Abs. 2 ZPO - wie oben tenoriert - zu versehen.

Das LG wies diesen Antrag zurück, weil mangels ausreichender Anhaltspunkte in der Vertragsstrafenvereinbarung eine vollstreckungsbeschränkende Abrede dahin zu sehen sei, dass die staatliche Sanktion des § 890 ZPO ausgeschlossen sein solle.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, welche für eine Parallelität der Sanktionsmittel eintritt, Ziff. 4 des Vergleichs vom LG für übersehen erachtet, der gerade eine Vollstreckung gem. § 890 ZPO voraussetze, die Zitate des LG nicht für tragfähig ansieht und wie schon im Antrag ihre Behauptung begründet, die Schuldnerin habe bereits gegen den Vergleich verstoßen.

Die Schuldnerin/Beschwerdegegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Das LG sprach in seinem Beschluss vom 28.10.2011 aus: "Die Kammer hilft nicht ab und legt die Akten ... vor" (Bl. 43).

B 1. Der Nichtabhilfebeschluss wird den Anforderungen des § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht gerecht.

a) aa) Der Nichtabhilfebeschluss muss begründet werden und kann sich nicht auf die bloße Nichtabhilfe- und Vorlageformel beschränken, wenn der Beschwerdeführer neue Tatsachen vorgebracht hat, deren Erheblichkeit verneint wird (OLG Stuttgart MDR 2003, 110 [juris Tz. 4]; Frankfurt OLGReport 2004, 116 [juris Tz. 8]; Karlsruhe OLGReport 2004, 313 [juris Tz. 4]; Saarbrücken OLGReport 2006, 600 [juris Tz. 5]; OLG Celle FamRZ 2006, 1689 [juris Tz. 10];Köln OLGReport 2007, 570 [juris Tz. 1]; OLG Jena MDR 2010, 832 [juris Tz. 5]; Heßler in Zöller, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 572, 11; Ball in Musielak, ZPO, 8. Aufl. [2011], § 572, 9; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. [2011], § 572, 10; Wulf in BeckOK-ZPO [Stand 1.10.2011], § 572, 7; Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. [2007], § 572, 14; generell die Notwendigkeit einer Begründung bejahend: OLG München MDR 2004, 291 [juris Tz. 2], es sei denn, die Beschwerde selbst sei ohne oder nur mit einer formelhaften Begründung). Denn das Abhilfeverfahren ist grundsätzlich zwingend. Das Erstgericht soll seine Entscheidung vor einer Befassung des Beschwerdegerichts überprüfen (OLG Saarbrücken, a.a.O., [juris Tz. 5]; Wulf, a.a.O., § 572, 2). Insbesondere wenn neues Vorbringen gehalten wird, kann das Erstgericht ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht einfach auf die angegriffene Entscheidung verweisen (OLG Jena, a.a.O., [juris Tz. 5]; OLG Köln, a.a.O., [juris Tz. 1]; Wulf, a.a.O., ...

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