Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, kann auch im Falle einer vergleichsweise vereinbarten Kostenaufhebung nicht als Übernahmeschuldnerin von der Staatskasse auf Gerichtskosten in Anspruch genommen werden.
Normenkette
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Ellwangen (Beschluss vom 20.05.2011; Aktenzeichen 6 F 169/09) |
Tenor
Auf die Erinnerung der Klägerin wird die Kostenrechnung des OLG Stuttgart vom 20.5.2011 -Kassenzeichen 1169952951244- aufgehoben.
Gründe
I. Mit Beschluss des Senats vom 9.2.2011 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt. Im Termin vom 14.4.2011 schlossen die Parteien zu Erledigung des Verfahrens einen Vergleich, in welchem sie sich u.a. auf Kostenaufhebung in beiden Instanzen einigten.
Mit Kostenrechnung vom 20.5.2011 wurden der Klägerin die hälftigen Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens (Gerichtsgebühren und verauslagte Reisekosten) mit 162,25 EUR in Rechnung gestellt. Gegen diese Inanspruchnahme wendet sich die Klägerin mit ihrer Erinnerung und beruft sich auf die ihr bewilligte Prozesskostenhilfe.
II. Die nach § 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung ist begründet.
Nach § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO können die Gerichtskosten gegen eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, geltend gemacht werden. Solche Bestimmungen hat der Senat nicht getroffen.
Zwar wird teilweise vertreten, die Gebührenfreiheit als Folge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe treffe nicht die Partei, die die Kosten infolge einer Übernahmeerklärung gem. § 29 Nr. 2 GKG schulde (OLG Frankfurt B. v. 25.9.2008 - 14 W 85/08 - juris; OLG Frankfurt B. v. 4.11.2010 - 18 W 226/10 - juris; OLG Frankfurt B. v. 18.3.2011 -18 WF 42/11 - juris; Schoreit/Groß, Beratungshilfe Prozesskostenhilfe Verfahrenskostenhilfe, 10. Aufl., § 122 Rz. 10), weil die Befreiung nur wirke, soweit die Kosten durch gerichtliche Entscheidung auferlegt wurden. Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Bezugnahme auf §§ 29, 31 GKG übersieht, dass in § 29 GKG allein geregelt ist, welche Partei unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als Kostenschuldner in Anspruch genommen werden kann, während § 31 Abs. 3 GKG die Reihenfolge der Inanspruchnahme bei mehreren Kostenschuldnern regelt.
Die unmittelbaren Wirkungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Bewilligung begünstigte Partei ergeben sich ausschließlich aus der Regelung in § 122 ZPO, die nicht zwischen Entscheidungs- und Übernahmeschuldner unterscheidet. Diese Bestimmung hindert die Staatskasse daran, den nach einem abgeschlossenen Vergleich auf die durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begünstigte Partei entfallenden Gerichtskostenanteil gegen diese anzusetzen (OLG Köln JurBüro 1992, 101; OLG Rostock JurBüro 2010, 147 LS 1). Für diese Interpretation streitet im Übrigen auch Nr. 3.1 DB-PKHG/DB-InsO, wonach eine Kostenrechnung auf einen Kostenschuldner nicht ausgestellt wird, soweit und solange dieser nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung von der Entrichtung der Kosten deshalb befreit ist, weil ihm oder seinem Gegner Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt wurde. Auch hier wird nicht zwischen den verschiedenen Kostenschuldnern des § 29 GKG unterschieden. Zwar ist diese Durchführungsbestimmung keine ein Gericht unmittelbar bindende Vorschrift, sie zeigt jedoch, welche einheitliche Handhabung sich der Verordnungsgeber vorstellt.
Im Übrigen führt die von der Senatsmeinung abweichende Ansicht zu einer Benachteiligung von Parteien, die ein Verfahren im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe durchführen. Denn diese würden gehindert, das Verfahren insgesamt durch Vergleich zu erledigen, weil sie auch dann, wenn die vereinbarte Kostenregelung dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entspricht (§ 92 ZPO), auf die entsprechenden Gerichtskostenanteile von der Staatskasse in Anspruch genommen würden. Solche Parteien wären gezwungen, zur Vermeidung dieses Nachteils nur die Hauptsache vergleichsweise zu regeln, den Rechtsstreit dann für erledigt zu erklären und eine Entscheidung nach § 91a ZPO zu beantragen. In diesem Fall würden aber zwei zusätzliche Gerichtsgebühren anfallen (vgl. Nr. 1220, 1222 Nr. 4 des KV zum GKG). die möglicherweise auch tatsächlich zu bezahlen sind, nachdem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch vier Jahre nach Vergleichsabschluss geändert werden kann (§ 120 Abs. 4 ZPO).
Dass die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, von der Gegenpartei im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs auch auf Erstattung der verauslagten Gerichtskosten in Anspruch genommen werden kann und dass dieser Anspruch der Gegenpartei unter Umständen auf die Staatskasse übergehen kann, betrifft nicht das im vorliegenden Fall relevante, in § 122 ZPO geregelte Verhältnis der Partei zur Staatskasse, sondern ausschließlich das hier bedeutungslose, in § 123 ZPO geregelte Verhältnis der Parteien untereinander
Eine Kostenentschei...