Leitsatz (amtlich)
1. Zur Schätzung des Verkehrswertes des Aktieneigentums in Spruchverfahren - Anschluss an OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.6.2013 - 20 W 6/10, und OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.7.2013 - 20 W 2/12.
2. Die Angemessenheit der angebotenen Abfindung ist nicht davon abhängig, ob bei einer faktisch beherrschten Gesellschaft das Verfahren nach §§ 311 ff. AktG ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Für die Frage der Vertretbarkeit der Planung des Vorstands ist nicht von Relevanz, ob das formelle Verfahren nach §§ 311 ff. AktG eingehalten worden ist. Entscheidend ist, ob materiell die Vorgaben des § 311 AktG eingehalten wurden und der Vorstand bei seiner Planung berücksichtigt hat, dass bei etwaigen durch das herrschende Unternehmen veranlassten nachteiligen Maßnahmen eine entsprechende Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens besteht und dieser Ausgleichsanspruch in die Planung mit einzustellen ist.
3. Der Wert des Aktieneigentums ist unabhängig davon zu bewerten, ob wegen des weniger als sieben Jahre nach einem Formwechsel von einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft stattfindenden Squeeze-out die vorangegangene Einbringung der Kommanditanteile in die Aktiengesellschaft gem. § 22 Abs. 1 UmwStG nachträglich in Form der Versteuerung des Einbringungsgewinns versteuert werden muss. Der Abfindungsbetrag ist nicht um die Höhe der Steuer auf den Einbringungsgewinn zu erhöhen.
Normenkette
AktG § 327a Abs. 1, § 327f
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 16.10.2012; Aktenzeichen 32 O 79/10 KfH AktG) |
Tenor
1. Die Beschwerden der Antragsteller Ziff. 1, 2, 3, 5, 6 und 7 gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 16.10.2012 - 32 O 79/10 KfH AktG, werden zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen des Ausscheidens der Antragsteller aus der X AG, T., in Folge der Übertragung ihrer Aktien an die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin (sog. Squeeze-out).
I.1. Die Antragsteller waren Minderheitsaktionäre der X AG T., die im Jahr 1985 als Aktiengesellschaft gegründet wurde, 1996 in eine Kommanditgesellschaft und 2006 wieder in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die X AG ist nicht börsennotiert.
Das Grundkapital der X AG betrug zum Zeitpunkt des Berichts gem. § 327c Abs. 2 Satz 1 AktG 20 Mio. Euro und ist eingeteilt in 758.290 auf den Inhaber lautende Stückaktien, wovon die Antragsgegnerin 99,94 % (757.803 Aktien) und die ca. 40 Minderheitsaktionäre 0,06 % (487 Stückaktien) hielten.
2. Am 16.7.2009 stellte die Antragsgegnerin an den Vorstand der X AG das Verlangen, dass deren Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung beschließt. Im Auftrag der X AG ermittelte die A Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (A) mit Bewertungsgutachten vom 30.9.2009 den Unternehmenswert zum 10.12.2009. A kommt hierin zu einem Anteilswert pro Aktie von 1.890,10 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf das Bewertungsgutachten verwiesen (AG 1, Bl. 45 ff.).
Die durch Beschluss des LG Stuttgart vom 23.7.2009 als sachverständige Prüferin bestellte B GmbH & Co. KG (i. F. sachverständige Prüferin) bestätigte in ihrem Prüfbericht vom 14.10.2009 (AG 2, Bl. 135 ff.) die Angemessenheit der Barabfindung von 1.895 EUR.
In der außerordentlichen Hauptversammlung der X AG vom 10.12.2009 wurde der Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung von 1.895 EUR je Aktie beschlossen. Der Ausschluss wurde am 19.5.2010 in das Handelsregister eingetragen und am 25.5.2010 bekannt gemacht.
II. Die Antragsteller begehren im Spruchverfahren die Festsetzung einer über 1.895 EUR je Aktie hinausgehenden Barabfindung. Der erste Antrag ging am 3.8.2010 bei Gericht ein. Die Antragsgegnerin ist dem Erhöhungsverlangen entgegen getreten. Wegen des Vorbringens der Beteiligen in erster Instanz wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
Das LG hat die Verfahren bezüglich aller Antragsteller zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und Rechtsanwalt W zum Vertreter der außenstehenden Aktionäre bestellt (Bl. 316).
Die sachverständige Prüferin erläuterte in der mündlichen Verhandlung vom 18.4.2012 (Bl. 435) ihren Bericht und nahm zu Fragen hierzu Stellung.
Das LG hat mit Beschluss vom 16.10.2012 (Bl. 471) die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen, der Antragsgegnerin die Gerichtskosten auferlegt und bestimmt, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen.
Das LG hat seinen Beschluss zusammengefasst wie folgt begründet:
Die Barabfindung von 1.895 EUR je Aktie entspreche den Verhältnissen der X AG. Der Unternehmensbewertung durch A und durch die sachverständige Prüferin liege die Anwendung anerkannter Bewertungsmethoden zugrunde.
Die Rüge...