Verfahrensgang

AG Ulm (Aktenzeichen 6 F 139/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ulm (6 F 139/19) wie folgt abgeändert:

Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Funk bewilligt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungsverbundverfahren. Durch den angefochtenen Beschluss vom 8.10.2019 wurde die begehrte Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung versagt, der Antragstellerin sei zumutbar, die Verfahrenskosten aus dem eigenen Vermögen zu begleichen. Sie verfüge über eine Riester-Rente mit einem aktuell angesparten Wert von 10.285,16 EUR. Zwar müsse die Anwartschaft aus dem Riester-Vertrag nicht eingesetzt werden. Allerdings verfüge die Antragsgegnerin noch über einen Bausparvertrag im Wert von 1890,- EUR. Diese sei in vollem Umfang für die Verfahrenskosten einzusetzen, weil das Schonvermögen bereits durch die Riester-Rente ausgeschöpft sei.

Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 10.10.2019 zugestellt wurde, legte sie am 13.10.2019 sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, aus ihrer Sicht sei es unzumutbar, den Bausparvertrag als Zahlungsmittel zu benutzen, da dieser für eine Heizungsreparatur vorgesehen sei.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere fristgerecht eingelegt.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Maßgeblich für die Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist die Frage, ob die grundsätzlich nicht für die Verfahrenskosten einzusetzende Anwartschaft auf die Riester-Rente für die Frage, ob das der Antragstellerin zustehende Schonvermögen dadurch abgedeckt ist, heranzuziehen ist. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden. Nach der Berechnung in einer Entscheidung des OLG Hamm (8 WF 871/13) wurde dort, ohne dass dies ausdrücklich erörtert wird, die Riester-Rente nicht als das Schonvermögen abdeckend angesehen.

Für eine Heranziehung des Guthabens aus der Riester-Rente spricht der Umstand, dass die Unverwertbarkeit der Riester-Rente in § 90 Abs. 2 SGB XII Teil einer Aufstellung ist, in der unter Ziff. 9 auch kleinere Barbeträge genannt sind, ohne dass ein weiteres Unterscheidungskriterium genannt ist, so dass argumentiert werden kann, dass das Schonvermögen eben entweder durch einen kleineren Geldbetrag abgedeckt sein kann, oder auch durch die Riesterrente.

Andererseits, und dies spricht gegen die Berücksichtigung als Schonvermögen, ist gemäß Nr. 8 dieser Vorschrift die selbstgenutzte angemessene Immobilie auch vom Vermögenseinsatz ausgenommen. In der gerichtlichen Praxis wird jedoch bei Vorhandensein einer selbstgenutzten Immobilie bei der Prüfung, ob ein Sparguthaben oder ein Lebensversicherungsguthaben einzusetzen ist, ganz überwiegend bei der Prüfung des Schonvermögens gerade nicht darauf abgestellt, dass dieses bereits durch die selbstgenutzte Immobilie abgedeckt ist, sondern von dem Guthaben nochmals das Schonvermögen gemäß Ziff. 9 in Abzug gebracht.

Zudem muss auch gesehen werden, dass der Gesetzgeber mit § 90 Abs. 2 Ziff. 2 SGB XII sicherstellen wollte, dass eine staatlich geförderte Altersvorsorge letztlich auch diesem Zweck zugutekommt, ohne dass angesparte Beträge anderweitig vorzeitig ausgegeben werden müssen. Diesem Zweck würde aber entgegenstehen, dass in möglichen Notsituationen, für die das Schonvermögen gedacht ist, dieses Guthaben gleichwohl eingesetzt werden müsste, weil zuvor beispielsweise für Verfahrenkosten anderweitiges vorhandenes Guthaben ohne Berücksichtigung eines Schonvermögens in vollem Umfang verbraucht werden musste.

Der Senat erachtet es daher für sachgerecht, bei der Prüfung des Schonvermögens ein Rentenversicherungsguthaben aus einem Riester-Vertrag ebenso unberücksichtigt zu lassen wie eine selbstgenutzte Immobilie.

Damit ist im konkreten Fall das zu berücksichtigende Schonvermögen von 6 000 EUR (Antragstellerin 5 000 EUR, pro Kind 500 EUR) nicht über die Riester-Rentenversicherung abgedeckt. Nachdem das Guthaben der Antragstellerin aus dem Bausparvertrag nur rund 2 000 EUR beträgt, unterfällt es in voller Höhe dem Schonvermögen, so dass die Verfahrenskosten nicht aus dem Vermögen beglichen werden können.

Nachdem sich bereits nach Abzug der Freibeträge für die Antragstellerin und die beiden Kinder und der Wohnkosten von der Summe der Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit, selbständiger Tätigkeit und Kindergeld kein verbleibendes Einkommen mehr errechnet, ist eine Ratenzahlung nicht anzuordnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13563751

FamRB 2020, 68

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