Leitsatz (amtlich)
1. Im badischen Rechtsgebiet können neben beamteten Notaren auch freie Notare bestellt werden (§ 115 Abs. 1 BNotO). Zu dieser Regelung war der Bundesgesetzgeber aufgrund der bestehenden Gesetzgebungskompetenznormen befugt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 2 GG).
2. Die den badischen Notaren auf Grund ihrer Beurkundungstätigkeit zustehende Beteiligung am Gebührenaufkommen (nach Maßgabe des LJKG) genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Das Land Baden-Württemberg muss bei der Bestellung freier Notarstellen nicht sicherstellen, dass die Nachfrage nach Beurkundungen bei den beamteten Notaren unverändert bleibt.
3. Die beamteten Notare in Baden haben keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass die Zusammensetzung ihrer Amtsaufgaben nicht durch organisatorische Maßnahmen verändert wird.
4. Bei der Ermittlung des Bedarfs für 25 freie Notarstellen (§ 4 BNotO) sind keine Fehler zu Lasten der amtierenden beamteten Notare festzustellen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Anträge der Antragsteller Ziff. 2 - 5 auf Abbruch der Stellenausschreibung von 25 Notarstellen im badischen Rechtsgebiet und Nichtbesetzung dieser Stellen werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller Ziff. 1 - 5 tragen die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird festgesetzt auf: 250.000 EUR.
Gründe
Die Antragsteller verlangen die Nichtbesetzung und den Abbruch einer Ausschreibung zur Besetzung von 25 freien Notarstellen im badischen Landesteil.
A.I. Der Antragsgegner hat nach einer Änderung des § 115 BNotO 25 freie Notarstellen im badischen Landesteil ausgeschrieben. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Gesetzgebungsgeschichte und den dazu maßgeblichen Äußerungen wird insoweit auf die Antragsbegründung Bezug genommen (Blatt 3-7).
II. Der Antragsteller Ziff. 1 hat seinen Antrag mit Schriftsatz vom 12.2.2007 zurückgenommen.
Die Antragsteller Ziff. 2-5 sind der Auffassung, ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus der zu befürchtenden Schmälerung der Einnahmen infolge der Einrichtung der weiteren Notarstellen (Blatt 11-13) und einer "Verschiebung des Berufsbildes" (Blatt 263).
III.1. Die Antragsteller tragen vor, der geltend gemachte Unterlassungsantrag ergebe sich aus dem Fehlen einer Bedürfnisprüfung (a.), einem Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben (b.) und der Verfassungswidrigkeit der Einführung des Mischsystems (c.).
a) Die notwendige konkrete Bedürfnisprüfung sei nicht erfolgt, denn es sei nur eine nach der Größenklasse der Amtsgerichtsbezirke grob gerasterte Verteilung vorgenommen worden (Blatt 5-6), die auf einer abstrakten Bedarfsanalyse beruhe. Es sei nicht überprüft worden, welches Urkundsaufkommen zu erwarten sei und wie sich dieses zur Zahl der Stellen verhalte. Es fehle eine die Belange der Richternotare berücksichtigende Bedarfsanalyse. Der in Baden zu beobachtende "Notariatstourismus" beruhe nicht auf der Zahl der Notarstellen, sondern an deren Unterausstattung mit sonstigem Personal. Statt für eine angemessene Ausstattung zu sorgen, werde aus allgemein ordnungspolitischen Gründen eine Mischverfassung geschaffen (Blatt 14-15, 18-23).
Bei der Kapazitätsentscheidung über die Stellenausweisung seien unabhängig von einer Anwendbarkeit des § 4 BNotO auch die Interessen der vorhandenen Stelleninhaber zu berücksichtigen, denn Art. 12 Abs. 1 GG schütze auch den ein Amt innehabenden Notar. Im Hinblick auf die fehlenden Beförderungsmöglichkeiten habe der Notar nicht nur ein Recht an seinem Amt, sondern auch das Recht aus seinem Amt alimentationsverbessernde leistungsabhängige Einkommensbestandteile zu gewinnen (ca. 20.000-25.000 EUR pro Jahr; Blatt 15-17). Mit der Einführung eines Mischsystems erfolge eine unzumutbare Verschiebung des Berufsbildes dahingehend, dass Nachlass- und Grundbuchsachen verstärkt von den verbleibenden Notaren zu bearbeiten seien und diese faktisch Einschränkungen bei der Beurkundungstätigkeit und den dort zu erzielenden Einnahmen hinnehmen müssten (Blatt 263-265).
b) Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH über die Anwendung der Kostenordnung und die Befugnis zu (gesellschaftsrechtlichen) Beurkundungen im Bereich der Richtlinie 69/335/EWG stelle sich die Frage nach der Neuordnung viel grundsätzlicher als nach der Fortführung des Staatsnotariats. Dieser Neuordnungsprozess werde durch das eingeführte Mischsystem erschwert (Blatt 23-27).
c) Die Neuregelung von § 115 BNotO sei verfassungswidrig, denn sie genüge nicht den Erfordernissen des Gesetzesvorbehalts und erfülle nicht die Voraussetzungen der konkurrierenden Gesetzgebung.
Die Neufassung des § 115 BNotO genüge nicht den Erfordernissen des organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalts für wesentliche institutionelle Berufsrechtsregelungen (Art. 12, 20 Abs. 3 GG), denn § 115 BNotO sei eine tatbestandslose Ermessensnorm, die ohne eine inhaltliche Regelung in zu weiten Grenzen der Exekutive di...