Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Berufungskläger die Berufung zurück, so hat er auch die Kosten einer Anschlussberufung zu tragen. Die Kosten sind jedoch gem. § 92 ZPO zu quoteln, wenn der Anschlussberufungskläger zunächst eine selbständige Berufung eingelegt hatte, die wegen Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig geworden ist und die er deshalb als Anschlussberufung weiterverfolgt hat.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 25 O 113/2005) |
Nachgehend
Tenor
I. Nach Rücknahme der Berufung der Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger zu 85 %, der Beklagten zu 15 % auferlegt.
II. Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Streitwert der Berufung/Anschlussberufung des Klägers: 96.537,75 EUR
Streitwert der Berufung der Beklagten: 18.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger hat der Beklagten mit Vertrag vom 7.1.1998 eine Industriehalle nebst Büro-und Sozialräumen in W. (Ort) vermietet. Das Mietverhältnis wurde zum 31.12.2004 beendet, der Kläger erhielt die Räume am 28.1.2005 zurück.
Wegen ausstehender Miete von 4.923,76 EUR, Schadensersatzansprüchen i.H.v. 5.492,91 EUR sowie Stromkosten von 50.040,04 EUR hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 59.862,75 EUR in Anspruch genommen, unter Berufung auf sein Vermieterpfandrecht die Herausgabe von 25 Gegenständen, insb. Maschinen und Geräten, verlangt (Streitwert insoweit: 50.000 EUR) und weiterhin die Freigabe eines von der Beklagten beim AG Stuttgart hinterlegten Betrags von 10.000 EUR, den die Beklagte im Wege der Widerklage für sich beansprucht.
Das LG hat - nach teilweise übereinstimmender Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich einzelner herausverlangter Gegenstände - dem Herausgabeanspruchs bezüglich dreier Maschinen stattgegeben. Im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen, ebenso die Widerklage. Die Kosten hat als LG dem Kläger zu 9/10, der Beklagten zu 1/10 auferlegt.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger mit Schriftsatz vom 7.3.2006, die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.2.2006.
Die Berufungsbegründungsfrist für den Kläger lief am 10.4.2006 ab, die Begründung ging indes erst am 11.4. 2006, 0:52 h ein. Auf entsprechenden Hinweis hat der Kläger erklärt, die Berufung möge nun als Anschlussberufung behandelt werden.
Der Kläger hat mit seiner Berufung bzw. Anschlussberufung sämtliche vom LG abgewiesenen Ansprüche weiterverfolgt.
Die Beklagte, die ihre Berufung rechtzeitig begründet hat, hat mit der Berufung die Abweisung der Klage verfolgt, soweit sie zur Herausgabe der drei Maschinen verurteilt worden ist.
Mit Schriftsatz vom 12.7.2006 hat die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen.
II. Durch die Rücknahme der Berufung der Beklagten ist die nach Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist als Anschlussberufung zu behandelnde Berufung des Klägers gem. § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos geworden.
Das Verfahren ist damit insgesamt erledigt, sodass über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden ist.
Gemäß §§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO waren die Kosten des Berufungsverfahrens entsprechend den von den Parteien in der Berufung angekündigten Anträgen zu quoteln, wobei die Klägerin die Kosten ihrer Berufung mit einem Streitwert von 96.537,75 EUR zu tragen hat, die Beklagte die ihrer zurückgenommenen Berufung mit einem Streitwert von 18.000. Dies führt zu der Quote von 85: 15 zugunsten der Beklagten.
1. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Berufungsführer der Hauptberufung, wie der BGH auch zur Neufassung der Regelungen zur Anschlussberufung in § 524 ZPO n.F. entschieden hat (zuletzt BGH MDR 2006, 586; NJW-RR 2005, 237), die Kosten der Anschlussberufung zu tragen, wenn er seine Berufung zurücknimmt, der Anschlussberufung dadurch den Boden entzieht und diese gem. § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos werden lässt.
Begründet wird dies damit, bei der Anschlussberufung handele sich um kein eigenständiges Rechtsmittel, sondern nur um einen Angriff im Rahmen der von der Gegenpartei eingelegten Berufung. Werde die Anschlussberufung auf Grund der im Belieben des Berufungsführers stehenden Berufungsrücknahme der Hauptberufung hinfällig, so geschehe dies ohne Mitwirkung und ohne Einfluss des Anschlussberufungsklägers und auch ohne gerichtliche Sachentscheidung, sodass dem Anschlussberufungskläger die Kosten weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung der §§ 91 ff. ZPO auferlegt werden könnten.
Ob dies auch dann gilt, wenn der Anschlussberufung eine selbständige Berufung vorausgegangen ist, die wegen Unzulässigkeit, etwa Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist, in eine Anschlussberufung umgedeutet wurde oder die auf ausdrücklichen Wunsch so behandelt wurde, ist umstritten.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Kostenfolge müsse auch in diesem Falle die sein, dass der Berufungsführer alle Kosten einschließlich der der Anschlussberufung zu tragen habe (OLG München NJW-RR 1996, 1082; OLG Oldenburg v. 24.7.2002 - 6 U 25/0...