Leitsatz (amtlich)

1. Über das Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit gegen einen Notar im Landesdienst (Baden-Württemberg) entscheidet gem. § 5 Abs. 1 LFGG BW, § 6 FGG a.F. i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG das LG gem. § 75 GVG durch die Zivilkammer als Kollegialgericht. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist nicht zulässig.

2. Das Ablehnungsverfahren ist kein selbständiges Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG. Es wird nicht durch eine Endentscheidung gem. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG i.V.m. § 38 FamFG abgeschlossen.

 

Normenkette

LFGG-BW § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; FGG a.F. m. Art. FGG-RG § 6 m. Art. 111 Abs. 1FGG-RG § 6 m. Art. 111 Abs. 1, Art. FGG-RG § 6 Abs. 2FGG-RG § 6 Abs. 2; FamFG § 38; ZPO §§ 42 ff.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 24.09.2009; Aktenzeichen 8 AR 13/09)

Notariat Calw I - VormG (Aktenzeichen I VG 19/2009)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Tübingen vom 24.9.2009 - 8 AR 13/09, aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Zivilkammer des LG Tübingen zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Die Antragstellerin hat den Vormundschaftsrichter mit Schriftsatz vom 8.9.2009 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Gesuch wurde durch den Einzelrichter der 8. Zivilkammer des LG Tübingen mit Beschluss vom 24.9.2009 für unbegründet erklärt. Hiergegen hat die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt.

2. a)Das Rechtsmittel ist gem. §§ 5 Abs. 1 Satz 1 u. 2 LFGG BW, 6 FGG a.F. i.V.m. §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO und §§ 20 ff. FGG a.F., Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG zulässig.

Auch wenn das Befangenheitsgesuch nach dem 1.9.2009 beim Notariat eingegangen ist, richtet sich das Verfahren gem. Art. 111 Abs. 1 u. 2 FGG-RG nach altem Recht, weil es sich bei dem Ablehnungsverfahren zwar um ein selbständiges Zwischenverfahren handelt, in dem über das Gesuch abschließend (bindend) entschieden wird (Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rz. 1 m.w.N.). In Art. 111 Abs. 2 FGG-RG wird aber klargestellt, dass selbständige Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG nur solche sind, die mit einer Endentscheidung abgeschlossen werden können.

Endentscheidungen sind nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG diejenigen, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Engelhardt in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, Art. 111 FGG-RG Rz. 3). Danach liegt eine Endentscheidung nur vor, wenn sich der gesamte Verfahrensgegenstand oder ein selbständiger Teil davon im Hinblick auf das zu regelnde Rechtsverhältnis als entscheidungsreif darstellt, d.h. wenn aus der Sicht des Gerichts der Verfahrenszweck erfüllt ist und deshalb die Anhängigkeit der Sache bzw. die Instanz durch den Rechtsprechungsakt beendet wird.

Dieser Funktion der unmittelbaren Verfahrensbeendigung steht diejenige von Neben- und Zwischenentscheidungen gegenüber, die sich nicht auf die Hauptsache beziehen bzw. erst zur Herbeiführung ihrer Entscheidungsreife bestimmt sind und deshalb der Endentscheidung vorausgehen (Meyer-Holz in Keidel, a.a.O., § 38 FamFG Rz. 4).

Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergeht zwar durch einen Beschluss, der im Falle der Erfolglosigkeit anfechtbar ist (§ 6 FGG a. F i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO; § 6 Abs. 2 FamFG), hierdurch wird jedoch lediglich ein Zwischenverfahren beendet, nicht aber eine Entscheidung über das zu regelnde Rechtsverhältnis getroffen, das vorliegend in der Einrichtung einer Kontrollbetreuung durch Beschluss vom 26.6.2009 und dem hiergegen gerichteten Beschwerdeverfahren liegt.

Demzufolge richtet sich das Ablehnungsverfahren nach dem vor dem 1.9.2009 geltenden Recht gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG.

b) In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts, weil das LG durch den Einzelrichter nicht in der vorschriftsmäßigen Besetzung entschieden hat und damit der absolute Beschwerdegrund des § 547 Nr. 1 ZPO analog vorliegt (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 564; BayObLG FamRZ 2004, 1137; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 30 Rz. 3; je m.w.N.).

Die vorliegende Betreuungssache richtet sich nach dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der vor dem 1.9.2009 geltenden Fassung (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 LFGG BW entscheidet über die Ablehnung eines Notars im Landesdienst wegen Besorgnis der Befangenheit das LG und zwar gem. § 75 GVG durch die Zivilkammer als Kollegialgericht, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze an Stelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat.

Der Gesetzgeber hat sich im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit aber auf die Einführung des fakultativen Einzelrichters (§ 30 Abs. 1 Satz 3 FGG i.V.m. § 526 ZPO für das Beschwerdeverfahren) beschränkt ...

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