Leitsatz (amtlich)
Verlangt ein Anleger im Wege des Schadensersatzes Rückzahlung des für eine Kapitalanlage aufgewendeten Anlagebetrags sowie die Zahlung der ihm im Vertrag zugesagten Zinsgewinne, so erhöht der Anspruch auf Zahlung der Zinsgewinne den Gebührenstreitwert; § 43 Abs. 1 GKG ist insoweit nicht anwendbar.
Normenkette
GKG § 43 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 11.11.2010; Aktenzeichen 25 O 172/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 11.11.2010 - 25 O 172/10 - abgeändert.
Der Streitwert wird auf 20.324,86 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin hat vor dem LG Ansprüche auf Ersatz ihr entstandenen Schadens aus einer Kapitalanlage geltend gemacht. Sie hat 16.000 EUR als Schadensersatz im Hinblick darauf verlangt, dass sie im August 2005 einen entsprechenden Bargeldbetrag an den Beklagten übergeben hatte. Ferner hat sie - nach zwischenzeitlicher teilweiser Zurücknahme der Klage - Zinsen aus dieser Schadensersatzforderung begehrt i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich aus 16.000 EUR seit 1.9.2009.
Zudem hat sie den Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes i.H.v. 4.324,86 EUR in Anspruch genommen. Bei diesem Betrag handelt es sich um die in dem als Anlage K 12 vorgelegten Schreiben vom 25.11.2008 aufgeschlüsselte Summe der in den Zertifikaten vom 26.8.2005 (Anlage K 3) sowie vom 31.8.2005 (Anlage K 5) als "zugesicherte Kapitalgewinne" bezeichneten Beträge, die auch in Art. 6 des als Anlage K 4 vorgelegten Vertrags aufgeführt sind. Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, der Beklagte habe ihr auch insoweit Schadensersatz zu leisten, weil ihr die vertraglich zugesagten "Kapitalgewinne" nicht zugeflossen seien.
Zur Sachdarstellung im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des LG vom 11.11.2010 verwiesen.
Das LG hat der Klage in dem nach teilweiser Zurücknahme der Klage noch anhängigen Umfang stattgegeben. Der Beklagte habe der Klägerin Schadensersatz i.H.v. 16.000 EUR zu leisten, weil sie einen entsprechenden Bargeldbetrag aus ihrem Vermögen aufgewendet habe, wofür der Beklagte einstehen müsse. Der Beklagte schulde zudem nach § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 BGB sowie § 288 Abs. 1 BGB Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich, und zwar schon seit Übergabe der Bargeldbeträge durch die Klägerin im August 2005. Der Klägerin stehe daher zum einen entsprechender Zins aus 16.000 EUR seit 1.9.2009 zu, zum anderen der geltend gemachte weitere Anspruch i.H.v. 4.324,86 EUR, bei dem es sich um die bis dahin ausgerechneten Zinsen für den Zeitraum ab Übergabe der Gelder handle.
Den Streitwert hat das LG in dem angefochtenen Beschluss (Bl. 121) auf 16.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 17.11.2010 beim LG eingegangene Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Bl. 123). Mit dieser begehren sie die Festsetzung des Streitwerts auf 20.324,86 EUR mit der Begründung, bei dem Differenzbetrag zu dem vom LG festgesetzten Streitwert i.H.v. 4.324,86 EUR handele es sich um Anlagezinsen und nicht um eine bloße Nebenforderung, weil die Klägerin großen Schadensersatz geltend gemacht habe.
Der Beklagte hält die Beschwerde für unbegründet, weil es sich bei dem Betrag i.H.v. 4.324,86 EUR um ausgerechnete Zinsen und damit um Nebenforderungen handele, die nicht streitwertbildend seien.
Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.12.2010 (Bl. 127 ff.), auf dessen Begründung verwiesen wird, nicht abgeholfen.
Wegen des weitergehenden Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Streitwertbeschwerde ist im Hinblick darauf, dass es an einer Beschwer der Klägerin fehlt, dahin auszulegen, dass sie von deren Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 RVG eingelegt wurde (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.2010 - 1 W 30/10 - Tz. 3 [juris]; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 1999 [2000]; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1303; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 32 RVG Rz. 14). Die Beschwerde ist nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG statthaft, gem. §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG innerhalb offener Frist eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das LG die geltend gemachten Anlagezinsen i.H.v. 4.324,86 EUR bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts nicht berücksichtigt. § 43 Abs. 1 GKG ist insoweit unanwendbar. Es handelt sich zwar um Zinsen aus dem hingegebenen Anlagebetrag i.H.v. 16.000 EUR. Diese waren hier nach dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin jedoch nicht als Nebenforderung geltend gemacht, weil es an dem erforderlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung fehlt.
a) Zinsen im Rechtssinne sind die vom Schuldner aufgrund Vertrags oder Gesetzes zu entrichtend...