Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Stellung eines Antrags auf Verbraucherinsolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

Allein die Tatsache, dass der Unterhaltspflichtige den Mindestbedarf des Kindes wegen langfristiger Hausschulden nicht in vollem Umfang decken kann (dass also wegen dieser Schulden ein so genannter Mangelfall vorliegt), rechtfertigt es nicht, eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit des Pflichtigen zur Stellung eines Verbraucherinsolvenzantrags anzunehmen und ihn, solange er einen solchen nicht gestellt hat, als leistungsfähig in Höhe des Mindestbedarfs zu fingieren.

 

Normenkette

BGB § 1603; InsO § 258 ff.

 

Verfahrensgang

AG Bad Saulgau (Aktenzeichen 1 F 58/01)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des AG – FamG – Bad Saulgau vom 8.8.2001 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die beabsichtigte Berufung der Klägerin wäre zwar an sich statthaft, hat jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im familiengerichtlichen Urteil Bezug genommen. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

In zweiter Instanz erhebt die Klägerin nur (noch) den Einwand, dem Beklagten sei, um den Mindestbedarf der Kinder in voller Höhe decken zu können, die Stellung eines Verbraucherinsolvenzantrags zuzumuten; solange er dies nicht mache, müsse er als leistungsfähig für den vollen Mindestbedarf behandelt werden. Dieser Einwand greift aus verschiedenen Gründen nicht durch.

Nach den unbestrittenen Feststellungen des FamG ist der Beklagte, ausgehend von seinem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 2.548 DM, nicht in der Lage, den Mindestbedarf seiner beiden aus der Ehe mit der Klägerin stammenden minderjährigen Söhne N., geboren am 23.5.1990, und T., geboren am 3.1.1987, vollständig zu decken, da er – ebenso wie die Klägerin – noch mehrere Jahre eine monatliche Kreditrate von 375 DM zu zahlen hat, welche daraus resultiert, dass die Parteien im Zusammenhang mit der Scheidung ein in ihrem Miteigentum stehendes Hausgrundstück verkauften, mit dem erzielten Kaufpreis aber nicht alle Kredite zurückführen konnten. Dass diese Kreditrate unangemessen hoch ist bzw. bei bestmöglichen Anstrengungen in Verhandlungen mit der Gläubigerseite noch reduziert werden könnte, wird von der Klägerin nicht behauptet. Auch die grundsätzliche Abzugsfähigkeit dieser aus der Ehe resultierenden Schulden wird von ihr – nach Ansicht des Senats zu Recht – nicht beanstandet.

Die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens würde den Beklagten zum jetzigen Zeitpunkt nicht in die Lage versetzen, höheren als den vom FamG zugesprochenen Unterhalt zu zahlen; sie ist ihm unterhaltsrechtlich auch nicht zuzumuten. Die Einleitung und Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bringt den Gläubigern von Unterhaltsansprüchen eher Nachteile als Vorteile.

a) Bereits die Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens könnte dem Beklagten nicht unerhebliche Kosten verursachen, die seine Leistungsfähigkeit weiter mindern.

b) Pfändungsmöglichkeiten der Unterhaltsgläubiger im Rahmen des § 850d ZPO bleiben zwar unverändert, der Nachteil des Insolvenzverfahrens besteht aber vor allem darin, dass durch die Regelung des § 35 InsO der Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse einbezogen wird, so dass den Unterhaltsgläubigern die Möglichkeit versperrt ist, in diesen Neuerwerb zu vollstrecken (§ 89 Abs. 1 InsO, vgl. hierzu auch die Ausführungen von Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473 ff. im Aufsatz „Insolvenzrechtsreform: Flucht der Schuldner aus dem ‚modernen Schuldturm’ auf Kosten der Unterhaltsberechtigten?”).

c) Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass rückständige Unterhaltsforderungen, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestanden, von einer etwaigen Restschuldbefreiung erfasst werden (vgl. auch hierzu die Ausführungen von Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473 ff.).

d) Das Verbraucherinsolvenzverfahren würde entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu einem sofortigen Wegfall der Schulden des Beklagten bei der Bank und damit zu seiner sofortigen „vollen” Leistungsfähigkeit führen. Denn erst nach einem erfolglosen, unter Mithilfe einer Schuldnerberatungsstelle durchzuführenden, erfahrungsgemäß oft länger dauernden außergerichtlichen Einigungsversuch und einem erfolglosen gerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch wird das Verfahren in ein vereinfachtes Insolvenzverfahren übergeleitet, welches dann nach weiteren sieben Jahren (bzw. 5 Jahren bei älteren Schulden) mit der Restschuldbefreiung enden kann.

e) Im vorliegenden Verfahren besteht schließlich ein weiteres Problem, welches der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens entgegensteht. Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien ist nämlich nicht davon auszugehen, dass der Beklagte derzeit zahlungsunfähig ist, so dass bereits ein Insolvenzgrund fehlen würde. Nur wenn man den Beklagten zur Zahlung eines...

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