Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrentungszinssatz bei Ausgleichsberechnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Berechnung des Börsenwerts des Unternehmens im Zuge der Festsetzung der angemessenen Abfindung, die Aktionären aus Anlass einer aktien- oder umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahme zu zahlen ist, ist nicht auf den Durchschnittskurs in einer Referenzperiode vor der Hauptversammlung, sondern auf den nach Umsätzen gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs in einer Referenzperiode vor Bekanntgabe der Maßnahme abzustellen.

2. Bei der Berechnung des Ertragswerts des Unternehmens kann der Risikozuschlag für den Zinssatz zur Ermittlung des Barwerts der künftigen Erträge anhand des Capital Asset Pricing Modell (CAPM) bestimmt werden; obwohl die dazu erforderlichen Parameter nicht punktgenau empirisch ermittelt werden können, führt das CAPM nicht zu willkürlichen Ergebnissen oder zu systematisch überhöhten Risikozuschlägen.

3. Wird der Risikozuschlag nach dem CAPM im Rahmen einer Nachsteuerbetrachtung gemäß IDW S1 Stand 18.10.2005 ermittelt, kann eine Marktrisikoprämie i.H.v. 5,5 % nach Steuern angesetzt werden.

4. Wurde ein Betafaktor aufgrund historisch beobachteter Kurse im Zeitraum nach der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme ermittelt, ist er zur Schätzung des künftigen unternehmensspezifischen Risikos grundsätzlich ungeeignet; ebenso wie die Referenzperiode für die Ermittlung des Börsenkurses muss die Messperiode für die Ermittlung des Betafaktors am Tag der Bekanntmachung der Maßnahme enden.

5. Wird der Risikozuschlag nach dem CAPM ermittelt, ist es methodisch nicht zwingend, den künftigen Betafaktor des Unternehmens auf der Grundlage historischer Kurse der Aktie des Unternehmens zu schätzen; es ist nicht anzunehmen, dass die faktische Beherrschung eines Unternehmens durch einen Mehrheitsaktionär notwendig einen geringen Betafaktor mit geringem Bestimmtheitsmaß zur Folge hat.

6. Der nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG geschuldete feste Ausgleich kann durch Verrentung des im Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerts errechnet werden; angesichts der unterschiedlichen Risikostrukturen von Dividende einerseits und festem Ausgleich andererseits kann dabei ein Mischzinssatz aus dem Basiszinssatz für (quasi) risikofreie Anlagen und dem um den vollen Risikozuschlag erhöhten Kapitalisierungszinssatz verwendet werden.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305; SpruchG

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 06.03.2008; Aktenzeichen 31 O 32/07 KfH AktG)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.06.2011; Aktenzeichen II ZB 2/10)

 

Tenor

1. Die gegen die Zurückweisung ihres Antrags betreffend den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag durch den Beschluss des LG Stuttgart vom 6.3.2008 - 31 O 32/07 KfH AktG, gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin Ziff. 71) wird zurückgewiesen.

2. Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerden und Anschlussbeschwerden gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 6.3.2008 - 31 O 32/07 KfH AktG, dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

A. Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung bzw. eines angemessenen Erwerbspreises für die außenstehenden Aktionäre der K. AG (K).

I.1. Das Grundkapital der K beträgt 13.050.752 EUR. Es ist eingeteilt in 5.019.520 auf den Inhaber lautende Stückaktien. Die Aktien der K waren am Amtlichen Markt an der Wertpapierbörse in F. (General Standard) zugelassen und wurden im Freiverkehr der Börsen in B.-B., D., H. und S. gehandelt (vgl. gemeinsamer Bericht [im Folgenden "GB", vorgeheftet in Hauptakte VIII], S. 10).

Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung und Produktion im Bereich Fahrzeugtechnik, insbesondere die Herstellung und der Vertrieb von Fahrzeugen und Zusatzgeräten für Umweltpflege, Natur und Freizeit unter der Marke K. und anderen Marken. Die Geschäftstätigkeit des Unternehmens gliedert sich in die Bereiche "P." (kettengetriebene Geländefahrzeuge zur Präparierung von Skipisten und Loipen) und "B. T." (Strandreinigungsfahrzeuge). Der Umsatzanteil des Geschäftsbereichs P. beträgt mehr als 90 %, der Umsatzanteil des Geschäftsbereichs B. T. dagegen nur rund 2 %. In beiden Produktbereichen ist die K Weltmarktführer (vgl. Gemeinsamer Bericht des Vorstands der K und der Geschäftsführung der M. GmbH gem. § 293a AktG vom 3.1.2007 [im Folgenden "GB"], S. 11 und 44). Im Bereich der Pistenfahrzeuge beträgt ihr Marktanteil über 60 % (GB S. 46). Die K hält u.a. 100 % der Anteile an der R. GmbH mit Sitz in L.. Die im Geschäftsjahr 2004/2005 erworbene Tochtergesellschaft R. GmbH dient ausschließlich der Vermögensverwaltung durch Anlage von Wertpapieren (GB S. 45).

2. Die M. GmbH (M) erwarb am 21.7.2006 1.884.479 Aktien der K, entsprechend etwa einem Anteil von 37,54 % des Grundkapitals. Damit erlangte sie die Kontrolle i.S.v. § 29 Abs. 2 WpÜG über die K. Am 10.8.2006 bot sie deshalb allen Aktionären der K an, ihre Aktien zum Preis von 23,76 EUR je Stückaktie zu erwerben. Durch die Annahme dieses Angebots erhöhte s...

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