Leitsatz (amtlich)
Nimmt eine mit einer Klage/hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einem Rechtmittel überzogene Partei anwaltliche Hilfe in Anspruch, sind die hierdurch angefallenen Kosten auch dann erstattungsfähig, wenn der Kläger/Antragsteller/Rechtsmittelführer seine Anträge zwischenzeitlich zurückgenommen hat und der Gegner oder sein Vertreter hiervon unverschuldet keine Kenntnis hatte (Anschluss an OLG München AGS 2016, 547; gegen BGH MDR 2016, 487).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Beschluss vom 08.08.2016; Aktenzeichen 5 O 111/16) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Ellwangen vom 8.8.2016, Az. 5 O 111/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 480,20 EUR
Gründe
I. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8.8.2016 hat der Rechtspfleger entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 14.6.2016 und der Kostengrundentscheidung des LG vom 6.6.2016 die vom Antragsteller zu erstattenden Kosten i.H.v. 480,20 EUR (1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV von 460,20 EUR zuzüglich Auslagenpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV von 20 EUR) in Ansatz gebracht.
Gegen die am 12.8.2016 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 23./24.8.2016 sofortige Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 15.12.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Streit ist die Erstattungsfähigkeit der auf Antragsgegnerseite entstandenen Anwaltskosten, nachdem der am 11.4.2016 eingereichte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, zugestellt mit der Ladung zum Termin vom 25.4.2016 an den Antragsgegner am 12.4.2016, am 13./14.4.2016 zurückgenommen worden war, während die anwaltliche Legitimation und Antragserwiderung vom 14.4.2016 beim LG am 15.4.2016 einging. Am selben Tag wurde die Antragsrücknahme an den Antragsgegner durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.
Im Einzelnen wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze und die Begründung des Rechtspflegers in dem Nichtabhilfe-/Vorlagebeschluss vom 15.12.2016.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG) hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Senat bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung (OLG Stuttgart/Senat, Beschluss vom 25.10.1979, Az. 8 W 448/79, Justiz 1980, 21) und schließt sich damit den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des OLG München an (Beschluss vom 30.8.2016, Az. 11 WF 733/16, AGS 2016, 547; Anmerkung von VRiLG a. D. Heinz Hansens in zfs 11/16, 648). Nimmt danach eine mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei anwaltliche Hilfe in Anspruch, sind die hierdurch ausgelösten Kosten auch dann erstattungsfähig, wenn der Kläger/Rechtsmittelführer seine Anträge zwischenzeitlich zurückgenommen hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn die anwaltliche Hilfe suchende Partei oder ihr Vertreter von der Rücknahme weiß oder schuldhaft nicht weiß (Anschluss an BAG, Beschluss vom 18.4.2012, Az. 3 AZB 22/11, RVGreport 2012, 349; entgegen BGH, Beschluss vom 25.2.2016, Az. III ZB 66/15, MDR 2016, 487; und entgegen BGH, Beschluss vom 23.11.2006, Az. I ZB 39/06, MDR 2007, 1163).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in vollem Umfang verwiesen auf die Begründung der Entscheidung des OLG München.
Gerade die vorliegend vom Senat zu entscheidende Fallkonstellation bekräftigt die Richtigkeit der Auffassung des OLG München, die seither auch vom Senat vertreten wurde.
Der Antragsgegner durfte in dem einstweiligen Verfügungsverfahren nach der Zustellung der Antragsschrift und der Terminsladung am 12.4.2016 sofort einen Anwalt mit seiner Rechtsverteidigung beauftragen. Dies ist auch geschehen, wobei der Anwalt spätestens am 13.4.2016 den Schriftsatz, datiert auf den 14.4.2016, diktiert haben muss, da dieser auf dem Postweg bereits am 15.4.2016 von xxx K. nach xxx E. gelangt war. Die Tätigkeit des Anwaltes erfolgte also, wenn nicht schon am 12.4.2016, so spätestens am 13.4.2016, also an dem Tag, an dem die Fax-Rücknahme - im Übrigen mit einer unleserlichen Unterschrift - beim LG einging. Die Urschrift folgte sodann am 14.4.2016 ebenfalls auf dem Postweg von K. nach E.. Die Zustellung der Antragsrücknahme ist auf den 15.4.2016 datiert, allerdings als Einlage in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Beim Eingang der Antragserwiderung am 15.4.2016 beim LG konnte deshalb von einer Kenntnis der Antragsgegnerseite von der Antragsrücknahme nicht ausgegangen werden.
Es ist im Übrigen nicht die Aufgabe des Antragsgegners vor der Mandatierung eines Anwaltes beim Gericht anzufragen, ob der Antrag vielleicht schon wieder zurückgenommen wurde, sondern ausschließlich des Antragstellers zur Vermeidung von Kosten auf ...