Entscheidungsstichwort (Thema)
Gültigkeit einer Erbunfähigkeitsklausel. Erbscheins-Vorbescheid
Leitsatz (amtlich)
Die Bindung des (Zivil-)Richters im Instanzenzug erstreckt sich auch auf Rechtsfragen mit verfassungsrechtlichem Gehalt (im Anschluss an den auf Vorlage ergangenen Beschluss BGHZ 140, 118 bezüglich der verfassungsrechtlichen Schranken der Testierfreiheit).
Normenkette
BGB § 2353 ff., § 2274 ff., §§ 128, 242; FGG §§ 27-28; ZPO 565 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hechingen (Aktenzeichen 3 T 15/96) |
Nachgehend
Tatbestand
Aus den Gründen:
I.
1. Das – nunmehr in 6. Instanz – anhängige Erbscheinsverfahren betrifft die Erbfolge nach dem am 20.7.1951 in Hechingen verstorbenen ehemaligen deutschen Kronprinzen Wilhelm von Preußen (Erblasser), dem ältesten Sohn des deutschen Kaisers Wilhelm II., bezüglich des sog. Hausvermögens des vormals regierenden preußischen Königshauses, soweit es sich in Deutschland befindet.
Der Erblasser hatte 6 Kinder. Die Kinder seines ältesten Sohnes sind die Beteiligten zu 13 und 14. Sein Zweitältester Sohn Louis Ferdinand, der am 25.9.1994 gestorben ist, hatte 7 Kinder: sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm ist der Beteiligte zu 2, sein zweiter Sohn Michael der Beteiligte zu 7 und sein vierter Sohn Christian Sigismund der Beteiligte zu 3; der drittälteste Sohn Louis Ferdinand jun. ist 1977 verstorben; der Beteiligte zu 1 ist dessen 1976 geborener Sohn Georg Friedrich. Die Beteiligten zu 8 bis 12 und 16–22 sind weitere Enkel oder Urenkel des Erblassers. Die Beteiligten zu 4 und 6 üben das Amt des Testamentsvollstreckers aus und der Beteiligte zu 15 ist Nachlasspfleger.
Im Mittelpunkt der Meinungsverschiedenheiten steht der notarielle Erbvertrag, den der Erblasser – Kronprinz – unter Beteiligung seines Vaters – Wilhelm II. – mit seinem Zweitältesten Sohn Prinz Louis Ferdinand – im wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren, durch die gesetzliche Beendigung der Familienfideikommisse veranlassten und vom Kammergericht genehmigten Verträgen – am 23.12.1938 abgeschlossen hat. Darin hat der Erblasser seinen zweiten Sohn als alleinigen Vorerben eingesetzt und dessen Abkömmlinge im Mannesstamme nach den Grundsätzen von Erstgeburt und Erbfolge nach Stämmen zu Nacherben bestimmt, mit dem Zusatz, dass (Nach-)Erbe nicht sein kann, wer „nicht aus einer den Grundsätzen der alten Hausverfassung des Brandenburg-Preußischen Hauses entsprechenden Ehe stammt oder in einer nicht hausverfassungsgemäßen Ehe lebt.” (sog. Erbunfähigkeitsklausel). Der älteste Sohn des Erblassers, der bei Abschluss des Erbvertrags in einer nicht hausverfassungsgemäßen Ehe gelebt hatte, hatte zuvor auf seine Ansprüche verzichtet. Die Fortgeltung dieses Erbvertrags hat der Erblasser in seinem – ergänzenden – notariellen Testament vom 29.3./26.5.1950 bestätigt.
Auf Grund dieses Erbvertrags hatte Louis Ferdinand 1951 einen Erbschein als alleiniger Vorerbe des Erblassers erhalten und das Hausvermögen übernommen. In seinem privatschriftlichen Testament von 1981 hat er seinen Enkel, den Beteiligten zu 1, zum alleinigen Erben seines gesamten Vermögens eingesetzt; diese Erbeinsetzung ist bei gleichzeitiger Anordnung von Testamentsvollstreckung auf den Fall erstreckt worden, dass er – Louis Ferdinand – nicht nur Vorerbe, sondern „Vollerbe des früheren Hausvermögens” geworden sein sollte….
2. Das Notariat Hechingen als Nachlassgericht hat auf den weiteren Hilfsantrag des Beteiligten zu 1… einen Erbscheinsvorbescheid erlassen, wonach Prinz Louis Ferdinand alleiniger Vollerbe (und nicht nur Vorerbe) des Erblassers geworden sei; die Anträge des Beteiligten zu 1, ihm einen Alleinerbschein – mit oder ohne Testamentsvollstreckervermerk – als Nacherbe des Erblassers zu erteilen, hat das Nachlassgericht zurückgewiesen, ebenso die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 und 3. Dabei hat es sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, die genannte Erbunfähigkeitsklausel des Erbvertrags sei wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig; im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung sei eine Einsetzung von Louis Ferdinand als Vollerbe anzunehmen. – Auf die Beschwerden der Beteiligten … hat das Landgericht die Sichtweise des Nachlassgerichts durch Beschluss vom 17.2.1997 bestätigt.
Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 hat der Senat durch Beschluss vom 19.8.1997 (OLG-Rep 1997, 61 = FGPrax 1997, 230 = FamRZ 1998, 260 = ZEV 1998, 185 m. Anm. Otte) die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt, weil er sich durch eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts v. 3.9.1996 (BayObLGZ 96, 204 = FamRZ 1997, 705 = ZEV 1997, 119) an einer Bestätigung der landgerichtlichen Auffassung gehindert gesehen hat.
Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 2.12.1998 (BGHZ 140, 118 = NJW 1999, 566 = MDR 1999, 360 = JZ 1999, 514 = JR 1999, 504 = WM 1999, 442 = FamRZ 1999, 580 = ZEV 1999, 59 = FGPrax 1999, 29 = RPfl 1999, 128 ua) die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Hechingen aufgehoben ...