Entscheidungsstichwort (Thema)

Mahnanwalt/Rechtsbeistand. Forderung. Kostenfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Mit Wegfall der auf ein Landgericht beschränkten Postulationsfähigkeit begründet die Abgabe vom Mahngericht am (Wohn-)Sitz des Klägers an das – in einem anderen Landgerichtsbezirk gelegene – Landgericht am Sitz des Beklagten nicht mehr die „Notwendigkeit” eines Anwaltswechsels im Sinn von § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

Dies gilt auch, wenn der Kläger zunächst einen Rechtsbeistand beauftragt hat.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 3; BRAGO § 43

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Aktenzeichen 2 O 937/2000)

 

Gründe

Aus denGründen:

I.

Die in Stuttgart ansässige Klägerin hatte durch einen Rechtsbeistand in Stuttgart einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von knapp 29 000 DM gegen einen Schuldner im Raum Ravensburg erwirkt. Der Schuldner legte Widerspruch ein, soweit die Hauptforderung 7 500,– DM überstieg, sowie gegen Kosten und Zinsen; hinsichtlich des nicht widersprochenen Teils erging Vollstreckungsbescheid.

Nach Abgabe an das Streitgericht im Mai 2000 hat ein Stuttgarter Rechtsanwalt die Klägerin beim Landgericht Ravensburg vertreten. Nach dem verfahrensabschließenden Vergleich hat der Beklagte 4/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Rechtspflegerin hat im Rahmen des Kostenausgleichs auf Klägerseite 3 volle Gebühren aus dem Reststreitwert bis 25 000 DM samt Auslagenpauschale sowie Anwaltsreisekosten (Fahrtkosten und zusammen 243,04 DM) anteilig in Ansatz gebracht; die geltend gemachten Kosten für den imMahnverfahren tätig gewordenenRechtsbeistand in Höhe von 1.145,– DM (eine volle Prozessgebühr aus 30 000,– DM zzgl. Pauschale) hat die Rechtspflegerin für nicht erstattungsfähig erachtet.

Gegen die Absetzung der Rechtsbeistandskosten wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde und macht geltend, die Mehrkosten eines Mahnanwalts seien erstattungsfähig, weil sie mit einem Widerspruch nicht habe rechnen müssen.

II.

Die zulässige Kostenbeschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Einwand des Beklagten, Kosten einer Inkassogesellschaft seien grundsätzlich nicht erstattungsfähig, greift nicht durch. Liegt – wie hier – eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 RBerG zur Tätigkeit als Rechtsbeistand vor, sind die im Rahmen der zugelassenen Tätigkeit angefallenen Kosten eines Rechtsbeistands wie Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig (vgl. Art. IX § 1 KostÄndG 1957; MünchKommZPO/Belz, 2. Aufl., § 91 Rn 79).

2. Der Senat teilt die Ansicht der Rechtspflegerin, dass seit Inkrafttreten der Neufassung des § 78 ZPO am 1.1.2000 die erstattungsrechtlicheNotwendigkeit eines Anwaltswechselsentfallen ist, wenn der zunächst als Mahnverfahren angelaufene Rechtsstreit an ein Landgericht in einem anderen (Landgerichts-)Bezirk abgegeben wird.

a) Wegen der bis 31.12.1999 beschränkten Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte auf das jeweilige Landgericht des Zulassungsorts war dann, wenn Kläger und Beklagter inverschiedenen Landgerichtsbezirken ihren (Wohn-)Sitz haben, nach Abgabe des Mahnverfahrens vom Mahngericht (§ 689 Abs. 2 ZPO) an das Landgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen (Wohn-)Sitz hat, nach gefestigter Senatsrechtsprechung bei nicht zu erwartendem Widerspruch einAnwaltswechsel i. S. des § 91 Abs. 2 S. 3 ZPOnotwendig; deshalb waren die im Mahnverfahren angefallenen Anwaltskosten grundsätzlich zusätzlich erstattungsfähig (Senat, Die Justiz 1978, 72 = NJW 1978, 767 = JurBüro 1978, 438; Die Justiz 1980, 199 = JurBüro 1980, 717 = MDR 1980, 501 (LS); Die Justiz 1985, 347 – in Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Meinung). War dagegen mit einem Widerspruch des Anspruchsgegners zu rechnen – was der Senat regelmäßig nur angenommen hat, wenn vorgerichtlich ein Rechtsanwalt den Anspruch bestritten hatte (Die Justiz 1980, 199 = JurBüro 1980, 717; Die Justiz 1980, 385 = JurBüro 1981, 125; ebenso Haftpflichtversicherung: Die Justiz 1991, 474 = JurBüro 1991, 1351) –, waren solche Mehrkosten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (Senat, Die Justiz 1999, 101) nicht erstattungsfähig. Dies galt in gleicher Weise, wenn auf Klägerseite das Mahnverfahren von einemRechtsbeistand betrieben wurde (Senat, Die Justiz 1982, 372).

Hatten dagegen beide Parteien ihren Sitz im selben Landgerichtsbezirk, konnte also der im Mahnverfahren tätige Rechtsanwalt auch den Hauptsachestreit betreiben, waren die durch die Einschaltung eines Rechtsbeistands für den Betrieb des Mahnverfahrens anfallenden Mehrkosten nicht erstattungsfähig, weil insoweit ein Anwaltswechsel nicht „notwendig” war (Senat, Die Justiz 1985, 347; 1986, 301).

b) Nachneuem Recht ist die gesamte Bundesrepublik Deutschland durch Wegfall des Lokalisationsprinzips bei den Landgerichten gleichsam zu einem einheitlichen Landgerichtsbezirk geworden. Damit entfällt grundsätzlich die aus der fehlenden Postulationsfähigkeit hergeleitete „Notwendigkeit” eines Anwaltswechsels bei Abgabe der Sache vom Mahngericht an das Streitgericht wegen fehlender Anwaltszulassung (wie auch bei jede...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge