Leitsatz (amtlich)
Lebensversicherungen, die der Altersersorgung eines selbständig Erwerbstätigen dienen, stehen der Bewiiligung von Prozesskostenhilfe nicht grundsätzlich entgegen. Sie können vom Vermögenseinsatz auszunehmen sein.
Verfahrensgang
AG Ravensburg (Beschluss vom 09.06.2006; Aktenzeichen 7 F 567/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des AG - FamG - Ravensburg vom 9.6.2006 - 7 F 567/05 - dahin abgeändert, dass der Antragstellerin auferlegt wird, auf die Verfahrenskosten mit Wirkung ab dem 1.2.2007 monatliche Raten von 15 EUR an die Landeskasse zu zahlen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 9.6.2006 bewilligte das FamG der Antragstellerin ratenfreie Prozesskostenhilfe.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatskasse. Danach seien Fahrtkosten und weitere Werbungskosten mit monatlich höchstens 100 EUR und weiteren 50 EUR in Ansatz zu bringen. So Wohnkosten geltend gemacht würden, könnten die Gas- und Stromkosten nicht von den Einkünften abgesetzt werden. Im Übrigen aber seien die Verfahrenskosten aus dem Vermögen zu zahlen. Hier komme ein Bausparvertrag in Betracht, ferner Lebens- bzw. Rentenversicherungen und Aktienpakete. Habe die Antragstellerin im nachhinein eine Miteigentumshälfte des Antragsgegners am vormals gemeinsamen Hausgrundstück übernommen, könne sich das nicht zu Lasten der Staatskasse auswirken.
Die Antragstellerin bringt vor, bereits ihre Einkünfte seien gering, was sich aus dem für den Veranlagungszeitraum 2004 ergangenen Einkommensteuerbescheid ergebe. Die Fahrtkosten fielen für tägliche Fahrten an, weil die Antragstellerin als freiberuflich tätige Dozentin auch für wenige Stunden umfassenden Unterricht von ihrem Wohnort nach R. und W. fahren müsse. Neben den Finanzierungskosten für das selbstbewohnte Haus müsse die Antragstellerin monatlich 268,82 EUR für verbrauchsunabhängige und verbrauchsabhängige Nebenkosten, Instandhaltungskosten sowie Beträge für ihre Altersversorgung aufwenden. Soweit Letzteres zu einer Vermögensbildung geführt habe, sei dieses gerade im Hinblick auf ihre selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit geboten und zumutbarer Weise nicht für die Tragung der Verfahrenskosten einzusetzen. Der erwähnte Bausparvertrag sei im Übrigen aufgelöst.
Mit Beschluss vom 27.11.2006 half das FamG der sofortigen Beschwerde nicht ab.
II. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist gem. § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthaft und zulässig.
In der Sache erweist sich die sofortige Beschwerde als begründet. Der Antragstellerin war aufzuerlegen, auf die Verfahrenskosten Raten aus ihrem einzusetzenden Einkommen zu zahlen (§ 115 Abs. 2 ZPO). Ein Vermögenseinsatz, § 115 Abs. 3 ZPO, kam hingegen nicht in Betracht.
Die Antragstellerin hat für den durch sie zu tragenden Anteil der Verfahrenskosten ihr Vermögen einzusetzen, soweit das zumutbar ist (§ 115 Abs. 3 ZPO). Der Vermögenseinsatz scheitert vorliegend an den in § 90 SGB XII genannten Härtegründen, auf welche in § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO verwiesen ist.
Sie bewohnt ein eigengenutztes Hausgrundstück (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Weder das Hausgrundstück noch ein Bausparvertrag stellen einsetzbares Vermögen dar. Vertragspartei des Bausparvertrags Nr. 5 488 955 5 01 bei der BHW Bausparkasse AG war Herr V. Ungeachtet des späteren Verwendungszwecks kann die Bausparsumme deshalb nicht durch die Antragstellerin als Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO eingesetzt werden.
Die, 51-jährige, Antragstellerin ist selbständig erwerbstätig. Sie hat für ihr Alter anderweitig Vorsorge zu treffen als über die Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung. Dem trägt sie dadurch Rechnung, dass sie monatliche Beiträge in eine Rentenversicherung sowie eine Kapitallebensversicherung entrichtet. Der Vermögenseinsatz von Lebens- und Rentenversicherungen ist in der Rechtsprechung umstritten (verneinend für staatlich geförderte Verträge: Senat v. 17.7.2006 - 16 WF 159/06, OLGReport Stuttgart 2006, 723 = FamRZ 2006, 1850; bejahend etwa OLG Brandenburg v. 9.5.2006 - 9 WF 137/06, FamRZ 2006, 1399 m. Anm. Zimmermann; OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466, mit Anm. Weil).
Rückkaufswert und Überschussanteile der Kapitallebensversicherung addieren sich vorliegend zu einem Gesamtwert von 9.204,90 EUR; die Rentenversicherung weist einen Rückkaufswert von 1.381,18 EUR auf. Mit Rücksicht auf die durch die Antragstellerin aufzubauende Altersversorgung wäre die Verwertung dieser vorgenannten Vermögensbestandteile unzumutbar. Gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies eine Härte bedeuten würde. Dies ist insb. der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. So liegt es hier. Die Altersvorsorge kann bislang nicht als hinreichend angesehen werden, und zwar weder durch die insgesamt bislang antragstellerseits erworbenen Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenv...