Leitsatz (amtlich)

Wurde bei der Vorratsgründung einer Aktiengesellschaft der Gründungsaufwand ausschließlich von der Gründerin selbst (und damit nicht von der Gesellschaft) getragen, so kann im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung ein Gründungsaufwand von der Gesellschaft (erstmals) übernommen werden und die entsprechende Satzungsergänzung in das Handelsregister eingetragen werden.

 

Normenkette

AktG §§ 26, 181

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Aktenzeichen 36 AR 7008/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 wird die Zwischenverfügung des Rechtspflegers des AG Stuttgart - Registergericht - vom 4.6.2012 - 36 AR 7008/12, aufgehoben.

2. Die Registersache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Anmeldung vom 16.4.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das AG Stuttgart - Registergericht - (36 AR 7008/12) zurückgegeben.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 3.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die vorliegende Gesellschaft wurde unter der Firma "... AG" beim AG Charlottenburg im Handelsregister ersteingetragen. Es handelte sich dabei um eine Vorratsgründung. Die Gründungskosten trug die Gründerin, nämlich die ... Gründungs GmbH.

Unter dem 16.4.2012 wurde beim AG Charlottenburg zur Eintragung angemeldet:

1. Die Firma der Gesellschaft wurde geändert und lautet nunmehr:

"... AG"

§ 1 (1) der Satzung wurde entsprechend geändert.

2. Der Sitz der Gesellschaft wurde von Berlin nach Stuttgart verlegt.

§ 1 (2) der Satzung wurde entsprechend geändert.

3. Der Gegenstand des Unternehmens wurde geändert und lautet nunmehr:

(1) Gegenstand des Unternehmens sind der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien und die Beteiligung an Unternehmen im In- und Ausland.

(2) Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die mit dem Gegenstand des Unternehmens zusammenhängen.

§ 2 der Satzung wurde entsprechend geändert.

4. Die Satzung der Gesellschaft wurde um § 8 Gründungsaufwand (wirtschaftliche Neugründung) ergänzt.

Die unter 4. genannte Satzungsbestimmung, um die die Satzung ergänzt wurde, lautet:

§ 8 Gründungsaufwand (wirtschaftliche Neugründung)

Die Gesellschaft trägt die mit ihrer wirtschaftlichen Neugründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von Euro 2.000,00.

Mit Schreiben vom 18.5.2012 wurde die elektronische Anmeldung der Sitzverlegung gem. § 13h HGB dem AG Stuttgart - Registergericht - übermittelt.

Der Rechtspfleger des AG Stuttgart teilte daraufhin dem Beteiligten Ziff. 2 unter Hinweis auf § 26 Abs. 3 Satz 2 AktG mit, die Einführung eines Gründungsaufwands nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister durch Satzungsänderung zu Lasten der Gesellschaft sei auch bei Verwendung einer Vorratsgesellschaft nicht möglich. Der Beteiligte Ziff. 2 hat demgegenüber insbesondere darauf verwiesen, dass die Gesellschaft anlässlich ihrer Gründung keinerlei Gründungsaufwand übernommen habe, so dass Gründungsaufwand erstmals in Zusammenhang mit der "wirtschaftlichen Neugründung" entstehe.

Mit Schreiben an den Beteiligten Ziff. 2 vom 4.6.2012 teilte der Rechtspfleger mit, es bedürfe zunächst der Beseitigung folgender Eintragungshindernisse:

"Wie schon in meinem Schreiben vom 21.5.2012 und vom 29.5.2012 mitgeteilt, wird hier die Auffassung vertreten, dass bei einer bereits bestehenden, durch wirtschaftliche Neugründung nunmehr aktivierten Aktiengesellschaft ein Gründungsaufwand gem. § 26 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht mehr im Wege der Satzungsänderung in die Satzung aufgenommen werden kann. Zwar finden die Gründungsvorschriften weitgehend Anwendung in einem solchen Fall, jedoch gilt dies nur im Hinblick auf den Gläubigerschutz. Die Privilegierung des Übernehmers, der die Übernahme einer bereits bestehenden Gesellschaft aus freien Stücken wählt, fällt nach hiesiger Auffassung nicht unter diesen Anwendungsbereich.

Die Satzung ist somit entsprechend zu ändern und die Prüfungsberichte sind insoweit ebenfalls zu berichtigen.

Zur Erledigung wird eine Frist 6 Wochen ab Zugang dieses Schreibens gesetzt. Nach ergebnislosem Ablauf der Frist wird Ihre Anmeldung kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gegen diese Zwischenverfügung wendet sich die Beteiligte Ziff. 1 mit ihrer Beschwerde vom 11.6.2012. Der Rechtspfleger des Registergerichts hat dieser nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. §§ 374 Nr. 1, 382 Abs. 4 Satz 2, 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 hat in der Sache Erfolg. Das vom Registergericht in der angegriffenen Zwischenverfügung angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.

1. Die vorliegende Anmeldung hat die wirtschaftliche Neugründung einer sog. Vorrats-AG zum Gegenstand. Die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des Aktiengesetzes einschließlich der Bestimmungen über die registergerichtliche Kontrolle sind in dieser Konstellation grundsätz...

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