Verfahrensgang
LG Ravensburg (Beschluss vom 19.12.2008; Aktenzeichen 8 AR 7/06 KfH 2) |
Tenor
1. Die gegen den Antragsgegner Ziff. 1 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass deren Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung ggü. dem Antragsgegner Ziff. 1 als unbegründet zurückgewiesen wird.
Im Übrigen wird der Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des LG Ravensburg vom 19.12.2008 - Az. 8 AR 7/06 KfH 2 - auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin aufgehoben.
Das Verfahren über den Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung ggü. dem Antragsgegner Ziff. 2 wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das LG Ravensburg zurückverwiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird für die Gerichtskosten auf 200.000 EUR und für die außergerichtlichen Kosten auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Zwischen den Parteien steht die Angemessenheit der Barabfindung gem. §§ 327 f. Abs. 1 Satz 2, 306 AktG (a.F.) nach einem durchgeführten Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Streit.
Die Antragsgegnerin Ziff. 1, über deren Vermögen am 6.4.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist ein im Jahr 1933 gegründetes und seit Juli 1983 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Unternehmen, welches Teile aus Metall oder vergleichbaren Materialien herstellt, bearbeitet und vertreibt. Die Antragstellerin hielt 15 Aktien; der Antragsgegner Ziff. 2 verfügte über eine Beteiligung von über 95 Prozent.
Der Antragsgegner Ziff. 2 stellte als Hauptaktionär ein Verlangen auf Übertragung sämtlicher Aktien auf ihn. In seinem Bericht vom 21.6.2002 (Anl. AG 3) hat er dazu den Unternehmenswert zum 6.8.2002 mit 5.792.000 EUR ermittelt und daraus einen Wert je Aktie von 14,27 EUR abgeleitet. Die zu zahlende Barabfindung hat er nach einer freiwilligen Erhöhung mit einem Betrag von 15 EUR je Aktie festgesetzt.
Die mit Beschluss des LG vom 28.5.2002 zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung gem. § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG bestellte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die B. GmbH, hat in ihrem Bericht vom 21.6.2002 (Anl. AG 4) den rechnerischen Wert von 14,27 EUR je Aktie als zutreffende Folge der Unternehmensbewertung bestätigt und die auf 15 EUR je Aktie festgesetzte Barabfindung als angemessen bezeichnet.
Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin Ziff. 1 beschloss am 6.8.2002 - mit einer Mehrheit von über 99,7 % der vertretenen Stimmen - die Übertragung sämtlicher (Stamm- und Vorzugs-)Aktien auf den Hauptaktionär nach Maßgabe der §§ 327a ff. AktG gegen eine Barabfindung von 15 EUR pro Aktie (Anl. AG 1). Die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Antragsgegner Ziff. 2 wurde am 30.9.2002 in das Handelsregister beim AG Biberach eingetragen (Anl. AG 2).
Am 25.11.2002 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung der angemessenen Barabfindung gem. §§ 327 f. Abs. 1 Satz 2, 306 AktG (a.F.). Sie behauptete, die vom Hauptaktionär festgesetzte Barabfindung sei unangemessen. Zur Begründung ihres Antrags machte sie geltend, der Bericht des Hauptaktionärs und der Prüfungsbericht seien so dürftig, dass bereits die Ermittlung der Barabfindung nicht nachvollzogen werden könne, erst recht sei es nicht möglich, deren Angemessenheit zu bewerten. Die Antragstellerin hat die Meinung vertreten, die Rechtslage sei nicht nach den Vorschriften des heute geltenden SpruchG zu beurteilen, vielmehr sei über den Antrag unter Anwendung der bis zum 31.8.2003 geltenden Vorschriften zu entscheiden. Danach obliege es ihr nicht, ihren Antrag zu begründen. Abgesehen davon habe sie den Antrag mit einer Begründung versehen, soweit dies überhaupt möglich sei. Sie sei auch nicht gehalten, ein besonderes Rechtsschutzinteresse dazulegen; dieses folge vielmehr ohne weiteres aus dem Umstand, dass sie Minderheitsaktionärin gewesen sei und diese Stellung durch den Übertragungsbeschluss verloren habe.
Die Antragstellerin hat beim LG beantragt, die angemessene Barabfindung gerichtlich festzusetzen.
Die Antragsgegner haben beantragt, den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Sie haben die Ansicht vertreten, der Antrag sei bereits als unzulässig einzustufen. Die Beurteilung der Rechtslage habe sich an dem Spruchverfahrensrecht zu orientieren, welches zum 1.9.2003 in Kraft getreten sei, da das Verfahren im Dezember 2002 zum Ruhen gekommen sei. Wesentlich sei, dass die Antragstellerin erst am 19.1.2006 und somit nach dem maßgeblichen Stichtag des 31.8.2003 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt habe. Unabhängig davon sei jedenfalls § 4 SpruchG - somit die Pflicht zur Begründung des Antrags - anzuwenden. Dies ergebe sich aus § 17 Abs. 2 SpruchG, wonach "weiter die entsprechenden bis zu diesem Tag geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes und des Umwandlungsgesetzes anzuwenden" seien. Daraus folge, dass die Bestimmungen der alten Rechtslage einschlägig seien, die nicht in...