Leitsatz (amtlich)

Die Verweisung einer Familienstreitsache vom LG an das Familiengericht folgt entspr. § 17a Abs. 6 GVG nach § 17a Abs. 1 bis 5 GVG und nicht nach § 281 ZPO.

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart

 

Tenor

Für das Verfahren ist das AG - Familiengericht - Stuttgart zuständig.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat beim LG Stuttgart Klage auf Auszahlung eines Kapitalbetrages i.H.v. 45.390,- EUR erhoben. Ihr geschiedener Ehemann hatte bei der in Anspruch genommenen Antragsgegnerin im Jahr 1993 eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen, deren Kündigung die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.11.2007 vor Rechtskraft der Scheidung gegenüber der Antragsgegnerin unter Berufung auf § 1365 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zugestimmt hat. Die Antragsgegnerin zahlte am 29.8.2008 den Rückkaufswert der Lebensversicherung i.H.v. 89.390,32 EUR an eine Zessionarin des Ehemannes der Antragstellerin aus. Die Antragstellerin erwirkte am 7.8.2009 gegen ihren Ehemann einen Vollstreckungstitel über 40.000,- EUR sowie am 24.2.2010 gegen ihren Ehemann und die Antragsgegnerin als Drittschuldnerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss i.H.v. 45.390,54 EUR.

Die Antragstellerin beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung des Lebensversicherungsvertrags gem. § 1368 BGB.

Das LG erklärte sich nach Anhörung der Beteiligten für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit durch Beschluss vom 21.11.2011 (Bl. 53-56) an das sachlich und örtlich zuständige AG- Familiengericht- Stuttgart. Zur Begründung führte das LG aus, dass es sich um eine Güterrechtssache nach § 261 Abs. 1 FamFG handele. Die Verweisung habe nach § 281 ZPO zu erfolgen; § 17a Abs. 6 GVG sei hier nicht anwendbar, da dieser nur die Verweisung zwischen verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts betreffe.

In der Folge gab das AG das Verfahren an das LG mit der Bitte um Überprüfung und Neufassung des Verweisungsbeschlusses nach § 17a GVG zurück (Bl. 57/58). Das LG gab seinerseits die Akten unter Bezugnahme auf den Verweisungsbeschluss am 22.12.2011 wiederum an das AG zurück (Bl. 59-61).

Mit Beschluss vom 4.1.2012 (Bl. 62-66) hat sich das AG - Familiengericht - Stuttgart ebenfalls für unzuständig erklärt und die Akten dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.1. Der Senat ist gem. § 113 Abs. 1 FamFG im Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes zuständig, weil das LG Stuttgart den Rechtsstreit an das AG- Familiengericht- Stuttgart verwiesen hat, dieses Gericht den Verweisungsbeschluss aber für unwirksam hält.

2. Zuständig für den von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens aus einem Lebensversicherungsvertrag ist das AG - Familiengericht - Stuttgart.

Die Antragstellerin stützt ihren Anspruch ausweislich der Anspruchsschrift vom 26.9.2011 auf §§ 1365, 1368 BGB. Die Beurteilung, ob ein solcher Anspruch schlüssig vorgetragen und auch begründet ist, obliegt dem Familiengericht, da es sich um eine Familiensache handelt (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1368 Rz. 1). Soweit das Familiengericht im Beschluss vom 4.1.2012 ausgeführt hat, dass eine Klage aus den gepfändeten und überwiesenen Rechten aus dem Versicherungsvertrag vorliege, entspricht dies dem Wortlaut der Anspruchsschrift (Klage) vom 26.9.2011 nicht.

Damit liegt eine Güterrechtssache gem. § 261 Abs. 1 ZPO vor (MünchKomm/ZPO/Dötsch, 3. Aufl., § 261 FamFG Rz. 10; Prütting/Helms/Heiter, 2. Aufl., § 261 Rz. 24; Keidel/Giers, FamFG, 17. Aufl., § 261 Rz. 3, 7). Hierfür ist das AG -Familiengericht- Stuttgart zuständig.

3. Es kann folglich dahinstehen, ob die Verweisung des LG Stuttgart zutreffend nach § 281 ZPO erfolgt ist oder ob im Verhältnis von Streitgericht und Familiengericht eine Verweisung nur nach § 17a Abs. 6 GVG stattfindet (so Senatsbeschluss vom 19.10.2011, 17 AR 8/11; OLG München, FamRZ 2011, 2090; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.12.2011 - 12 W 2359/11).

Unzweifelhaft erfasst § 17a Abs. 6 GVG die Antragsverfahren, in denen die Prozessabteilung des AG eine Sache an das Familiengericht verweist. Hat sich ein Spruchkörper durch Beschluss nach § 17a Abs. 6, Abs. 2 Satz 1 GVG für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die zuständige Abteilung verwiesen, ist hiergegen für die Beteiligten nunmehr gem. § 17a Abs. 6, Abs. 4 Satz 3 GVG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet. Wird ein solches Rechtsmittel nicht eingelegt, besteht aus der maßgeblichen Perspektive der Beteiligten kein weiter gehendes Bedürfnis dafür, die Frage der funktionellen Zuständigkeit gleichwohl auf Veranlassung desjenigen Spruchkörpers überprüfen zu lassen, an den der Rechtsstreit verwiesen worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 18.5.2010).

Bei Verfahrensüberleitungen einer Familienstreitsache zwischen LG und Familiengericht handelt es sich zunächst um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, weshalb die Verweisung vom LG nach § 281 ZPO an das AG erfolgen könnte. Die Verweisung nach § 281 ZPO zum sachlich zuständigen Gericht betrifft aber auch im Verhältnis ...

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