Leitsatz (amtlich)
1. Auch im Spruchverfahren ist eine Anschlussbeschwerde nur im Verhältnis zur Hauptbeschwerde des Verfahrensgegners zulässig. Ein Antragsteller, der nicht fristgerecht Beschwerde eingelegt hat, kann sich nach Ablauf der Beschwerdefrist fristgerecht eingelegten Beschwerden anderer Antragsteller nicht anschließen.
2. Im Spruchverfahren ist ein Antragsteller, der nicht fristgerecht Beschwerde eingelegt hat, nicht deshalb in zweiter Instanz formell zu beteiligen, weil er materiell Beteiligter ist.
Normenkette
SpruchG § 12; ZPO § 567 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 08.11.2005; Aktenzeichen 32 AktE 4/02 KfH) |
Tenor
1. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zu 6 gegen den Beschluss der 32. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 8.11.2005 - 32 AktE 4/02 KfH - wird zurückgewiesen.
2. Eine Entscheidung im Kostenpunkt für beide Instanzen bleibt einer Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I. Insgesamt 12 Antragsteller begehren in diesem Spruchverfahren die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung anlässlich des Formwechsels der Antragsgegnerin von der Rechtsform der AG in die Rechtsform der GmbH & Co. KG, den die Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23.11.2000 beschlossen hatte. Das LG hat mit Beschluss vom 8.11.2005 acht Anträge, darunter auch den Antrag der Antragstellerin zu 6, als unzulässig zurückgewiesen und den betroffenen Antragstellern jeweils 1.500 EUR der "Verfahrenskosten" auferlegt. Auf die übrigen Beschwerden hin hat es im selben Beschluss die angemessene Barabfindung auf 13,58 EUR festgesetzt. Der Beschluss wurde den Antragstellern in der Zeit zwischen 10. und 27.11.2005 zugestellt, der Antragstellerin zu 6 am 10.11.2005. Die Antragsteller zu 1 bis 5, 7 und 10 bis 12 haben fristgerecht Beschwerde gegen den Beschluss des LG eingelegt. Die Antragsgegnerin hat keine Beschwerde eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 19.4.2006 hat der neue Bevollmächtigte der Antragstellerin zu 6 mitgeteilt, dass er diese nunmehr vertrete. Darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 6 keine Beschwerde eingelegt habe und deshalb am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt sei, hat sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 8.5.2006 Anschlussbeschwerde eingelegt und Anschließung an die Beschwerden der Antragsteller zu 4 und zu 11 erklärt. Trotz mehrfacher Hinweise des Senats, dass die Anschlussbeschwerde nicht zulässig sei, hat die Antragstellerin zu 6 daran festgehalten und sich u.a. darauf berufen, dass das OLG Düsseldorf in einer Berichterstatterverfügung auf die Möglichkeit einer Anschließung an eine fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde anderer Beschwerdeführer hingewiesen habe.
II. Die Anschlussbeschwerde ist nicht zulässig.
1. Im Spruchverfahren als echtem Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine Anschlussbeschwerde entsprechend § 567 Abs. 3 ZPO statthaft (vgl. BayObLG v. 19.10.1995 - BReg.3 Z 17/90, AG 1996, 127; OLG Hamburg NZG 2002, 189; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2006 - 20 W 5/05, OLGReport Stuttgart 2006, 476 = AG 2006, 420; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.3.2006 - I 26 W 5/06 AktE, Juris Rz. 19; KK-SpruchG/Wilske, § 12 Rz. 25, m.w.N.; vgl. auch BGHZ 71, 314; BGH v. 27.6.1985 - VII ZR 16/84, BGHZ 95, 118).
Ein Anschlussrechtsmittel ist aber immer nur als Anschließung des Rechtsmittelgegners an ein vom Verfahrensgegner eingelegtes Rechtsmittel zulässig. Es dient der Herstellung der Waffengleichheit in Verfahren, in denen wegen des Verbots der reformatio in peius sonst keine Korrektur zugunsten des Rechtsmittelgegners möglich wäre. Das folgt für die Beschwerde im Zivilprozess unmittelbar aus § 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO (vgl. auch § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Berufung, § 554 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Revision). In den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt nichts anderes. Auch hier kann sich eine Anschlussbeschwerde mit ihren Anträgen aus diesen Gründen gegen den Beschwerdeführer richten (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. Vorb. §§ 19-30 Rz. 4, § 22 Rz. 10; Bumiller/Winkler, FGG, § 19 Rz. 19; Bassenge in Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RpflG, 10. Aufl., §§ 19 - 30 FGG Rz. 5 f.; Janssen, FGG, § 22 Rz. 13). Das gilt auch im Spruchverfahren (so ausdrücklich BayObLGZ 2001, 258; OLG Zweibrücken v. 2.3.2004 - 2 W 167/03, NZG 2004, 382; Vollrath in Widmann, UmwG, Anh. 13; SpruchG § 12 Rz. 14; KK-SpruchG/Wilske § 12 Rz. 25; a.A. OLG Düsseldorf v. 13.7.2005 - I-19 W 4/04 AktE, OLGReport Düsseldorf 2005, 567 = AG 2005, 771 unter Hinweis auf die Möglichkeit, im Spruchverfahren auch Anschlussanträge stellen zu können; gemeint sind wohl die nach altem Spruchverfahrensrecht zulässigen, allerdings auch befristeten Folgeanträge, § 307 Abs. 3 Satz 2 und 4 UmwG, aus denen aber für die Frage der Zulässigkeit einer Anschlussbeschwerde nichts folgt; a.A. wohl auch Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 12 Rz. 12).
Die Zulässigkeit einer Anschlussbeschwerde folgt auch nicht aus dem in allgemeinen Verfahren der freiwilligen Gerich...