Leitsatz (amtlich)
Die Beteiligtenstellung Minderjähriger in Kindschaftssachen führt nicht pauschal zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers in Sorgerechtsverfahren. Bei erheblichen Interessengegensätzen zwischen Kind und vertretungsberechtigten Eltern kann die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ein milderes Mittel zur Sicherung der Verfahrensrechte des Kindes darstellen.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2, § 1796; FamFG § 7
Verfahrensgang
AG Waiblingen (Beschluss vom 09.09.2009; Aktenzeichen 11 F 928/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Kindes wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Waiblingen vom 9.9.2009 (11 F 928/09) aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.500 EUR.
Gründe
I. Das am ...2002 geborene Kind X ist das Kind der nicht miteinander verheirateten Beteiligten X und Y. Der Vater hat die Vaterschaft urkundlich anerkannt, eine Sorgeerklärung wurde nicht abgegeben.
Da die Mutter zur Versorgung des schwer verhaltensauffälligen Kindes wegen eigener Probleme nicht in der Lage ist, findet seit Januar 2008 eine Fremdbetreuung statt, zunächst bis zum 7.8.2009 im Pestalozzi-Kinderdorf in X und danach in einer Pflegefamilie. Während der gesamten Zeit in X war die Mutter für die Einrichtung und das Jugendamt nicht erreichbar. Sie selbst meldete sich lediglich ein Mal bei ihrem Kind.
Wegen der Durchführung anstehender medizinischer Untersuchungen und der für erforderlich gehaltenen Suche nach einer anderen geeigneten Einrichtung für das Kind beantragte das Jugendamt am 8.9.2009, der Mutter Teilbereiche der elterlichen Sorge zu entziehen, nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Unterschriftsbefugnis zur Stellung von Jugendhilfeanträgen, die Mitwirkungsbefugnis in Jugendhilfemaßnahmen und die Gesundheitsfürsorge. Diese Teile sollten nach dem Antrag auf das Kreisjugendamt X als Pfleger übertragen werden.
Durch Beschluss von 9.9.2009 bestimmte der Familienrichter Termin zur Anhörung der Beteiligten und bestellte das Kreisjugendamt X, Abteilung Vormundschaften ohne Begründung zum Ergänzungspfleger.
Gegen diesen Beschluss legte der Ergänzungspfleger als Vertreter des Kindes und in dessen Interesse Beschwerde ein. Das Familiengericht half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses dem Senat zur Entscheidung vor.
Im Anhörungstermin vom 22.9.2009 gab die Mutter an, dass sie die gesamte Situation überfordere und widersprach dem teilweisen Entzug der elterlichen Sorge nicht. Daraufhin entzog das Familiengericht der Mutter antragsgemäß Teilbereiche der elterlichen Sorge und bestellte insoweit das Kreisjugendamt X, Abteilung Vormundschaften, zum Pfleger.
II. Die Beschwerde des Kindes, im Verfahren auf Grund des Beschlusses des Familiengerichts vom 9.9.2009 gesetzlich vertreten durch das Kreisjugendamt X, ist zulässig.
Gemäß § 58 FamFG findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen statt. Eine solche liegt inhaltlich vor, da der angefochtene Beschluss das Ergebnis eines Verfahrens nach §§ 1629 II S. 3, 1796, 1909 BGB darstellt, welches bei ordnungsgemäßer Behandlung mit einer Endentscheidung schließt, welche anfechtbar ist (Unger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, Rz. 13 zu § 58) Die Tatsache, dass das Familiengericht dieses Verfahren lediglich verkürzt betrieben und zudem seine Entscheidung inhaltlich nicht begründet hat, führt nach dem Prinzip der Meistbegünstigung nicht zum Verlust des Rechtsmittels (Musielak/Ball vor § 511 ZPO Rz. 34 m.w.N.).
Das Kind ist auch beschwerdeberechtigt (§ 59 FamFG), da jeder Eingriff in die elterliche Sorge sein eigenes Recht auf Ausübung dieser Sorge durch den hierfür von Gesetzes wegen bestimmten Elternteil beeinträchtigen kann (so bereits zum alten Recht Philippi in Zöller, ZPO, 27. Aufl., Rz. 14a zu § 621e).
Das Kind war bei Einlegung des Rechtsmittels wirksam durch das Kreisjugendamt X vertreten, da die Übertragung der elterlichen Sorge mit dem Wirkungskreis "Vertretung in dem Verfahren auf teilweisen Entzug der elterlichen Sorge" mit Bekanntgabe wirksam wurde (§ 40 FamFG). Das gesetzwidrige Verfahren führt zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der familiengerichtlichen Entscheidung. Der Pfleger führt das Rechtsmittel auch für das Kind und nicht für sich selbst (was unzulässig wäre), wie sich aus der Begründung ergibt, in welcher nicht auf Rechte des Pflegers, sondern auf solche des Kindes abgestellt wird. Darüber hinaus hat der Pfleger auch ausdrücklich erklärt, dass die Beschwerde im Namen und Interesse des Kindes und nicht des Pflegers erhoben sei.
Die Beschwerde ist auch begründet, da die Voraussetzungen für einen Eingriff in die elterliche Sorge betreffend der gesetzlichen Vertretung im anhängigen Verfahren nicht vorliegen.
Der Beschluss ist bereits formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da elementare Verfahrensvorschriften nicht b...