Leitsatz (amtlich)
Zur Zwangsvollstreckung aus einem in bestimmter Frist widerruflichen, aber nicht widerrufenen Vergleich genügt eine einfache Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO, die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts zu erteilen ist. Eine qualifizierte Vollstreckungsklausel nach § 726 ZPO ist nicht erforderlich (entgegen BAG, Beschl. v. 5.11.2003 - 10 AZB 38/03, MDR 2004, 537).
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Beschluss vom 15.03.2004; Aktenzeichen 2 O 642/03 Gr) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin beim LG Heilbronn vom 15.3.2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Beschwerdewert: 9.000 Euro.
Gründe
I. Die Parteien haben im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.1.2004 einen Vergleich geschlossen mit folgendem Inhalt:
1. "Zur Erledigung aller gegenseitigen Ansprüche verpflichtet sich der Beklagte, an die Klägerin 9.000 Euro zu bezahlen.
Der Betrag ist ab 20.2.2004 mit 9 % zu verzinsen.
2. (Kosten) ...
3. Beiden Parteien wird nachgelassen, diesen Vergleich durch an das Gericht zu richtenden Schriftsatz binnen 3 Wochen zu widerrufen."
Ein Widerruf dieses Vergleichs ist nicht erfolgt. Auf Antrag der Klägerin/Gläubigerin vom 24./25.2.2004 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle das mit einem Vermerk der Geschäftsstelle über den Nicht-Eingang eines Widerrufs versehene Sitzungsprotokoll vom 29.1.2004 mit der Vollstreckungsklausel versehen. Weil der Schuldnervertreter die Zustellung dieser vollstreckbaren Ausfertigung unter Hinweis auf die neueste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zurückgewiesen hat, hat die Gläubigerin unter dem 8./9.3.2004 beantragt, ihr nach § 726 ZPO eine qualifizierte Vollstreckungsklausel durch den Rechtspfleger zu erteilen.
Durch Beschluss vom 15.3.2004 (Bl. 89 ff. d.A.) hat die Rechtspflegerin des LG die Erteilung der beantragten Vollstreckungsklausel abgelehnt mit der Begründung, entgegen der Ansicht des BAG seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel durch den Rechtspfleger nicht erfüllt, denn nicht die Vollstreckung des Titels, sondern dessen Wirksamkeit insgesamt hänge vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, nämlich Fristablauf ohne Widerruf, ab; § 726 ZPO gelte nach seinem Wortlaut nur, wenn allein die Vollstreckung von einer Bedingung abhängig sei.
Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit der Beschwerde vom 19./22.3.2004, mit der sie ihr Begehren auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach § 726 ZPO weiter verfolgt; ihr dürfe die Vollstreckbarkeit des Vergleichs nicht durch einen - für einen Laien nicht nachvollziehbaren - Streit um die "richtige" Klausel erschwert werden. Der Schuldner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.1. Das Rechtsmittel der Klägerin ist als sofortige Beschwerde gegen die ablehnende Rechtspflegerentscheidung statthaft und zulässig (§§ 793, 567 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG). Die im Rahmen der Parteizustellung erfolgte Zurückweisung der erteilten Klausel durch den Schuldner als unwirksam - da nicht vom zuständigen Rechtspflegeorgan erteilt - begründet ein Rechtschutzbedürfnis.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung der Rechtspflegerin, die die Rechtsansicht vertreten hat, dass im Falle eines während einer bestimmten Frist widerruflichen, aber nicht widerrufenen Vergleichs nur eine einfache Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erforderlich ist, so dass die Erteilung einer qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO abzulehnen war. Der neuerdings vom Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschl. v. 5.11.2003 - 10 AZB 38/03, MDR 2004, 537 = NJW 2004, 701) vertretenen abweichenden Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Zwar erscheint die vom OLG Braunschweig (OLG Braunschweig Rpfleger 1972, 421) getroffene und von der Rechtspflegerin für durchschlagend erachtete Unterscheidung zwischen einer Bedingung, von der die Wirksamkeit des Titels abhängt - dann einfache Klausel nach § 724 ZPO -, und einer Bedingung, von der allein die Vollstreckung des Titels abhängt - dann qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO -, nicht als tragfähig. Für den dort entschiedenen Fall der Abhängigkeit der Vollstreckbarkeit eines Unterhaltsvergleichs von der Rechtskraft des Scheidungsurteils ist seither ganz überwiegend die gegenteilige Auffassung befürwortet worden (OLG München v. 25.11.1983 - 2 WF 1128/83, Rpfleger 1984, 106; v. 12.3.2001 - 7 W 811/01, OLGReport München 2001, 231 = JurBüro 2001, 438 = FamRZ 2002, 405; KG InVo 2001, 63; Blomeyer, Rpfleger 1972, 385; Rpfleger 1973, 80; Hornung, Rpfleger 1973, 77). In der Kommentarliteratur wird diese Unterscheidung verbreitet abgelehnt (Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 726 Rz. 9; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 726 Rz. 3, § 794 Rz. 58, § 794 Rz. 11; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 726 Rz. 1,4; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 726 Rz. 8, ...