Leitsatz (amtlich)

Ein Übergabevertrag, durch den das dem Betreuten gehörende landwirtschaftliche Unternehmen gegen Zusage eines Altenteils auf den Sohn übertragen werden soll, ist nicht generell "nicht genehmigungsfähig". Die Versagung der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers rechtfertigt sich auch nicht allein dadurch, dass potentielle Miterben des Übernehmers Vermögensteile des Betreuten "ohne Gegenleistung" erhalten sollen.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 07.11.2003; Aktenzeichen 2 T 221/03)

 

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 7.11.2003 und der Beschluss des Notariats - VormG - Murrhardt vom 24.4.2003 aufgehoben und die Sache an das Notariat Murrhardt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

2. Das Notariat Murrhardt wird angewiesen, dem Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers stattzugeben, wenn nicht andere als die hier behandelten Gründe einer solchen Bestellung entgegenstehen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.1. Der nunmehr 65-jährige Betroffene ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes im Raum Murrhardt, zu dem 25 land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit einer Fläche von über 31 Hektar gehören. Die Beteiligte zu 2) ist seine nunmehr 58-jährige Ehefrau, während die Beteiligten zu 3) bis 5) deren gemeinsame, inzwischen jeweils verheiratete Kinder sind. Der nahezu 35-jährige Beteiligte zu 3) wohnt seit jeher, nunmehr mit seiner Familie auf dem Hof, während die beiden anderen Kinder mit Familie anderweit in der Nähe wohnen.

Der Betroffene ist aufgrund eines im November 1996 erlittenen Schlaganfalls nicht mehr geschäftsfähig und schwerstpflegebedürftig; eine Verständigung mit ihm ist nicht mehr möglich. Er wird von seiner Ehefrau zu Hause gepflegt, nach Kräften unterstützt durch die weiteren Beteiligten und deren Familienangehörige.

Durch Beschluss vom 3.9.1997 hat das Notariat - VormG - eine umfassende Betreuung angeordnet und die Ehefrau (Beteiligte 2) zu seiner Betreuerin bestellt. Durch Beschluss vom 2.10.2002 ist die Betreuerbestellung bis zum 2.10.2007 verlängert worden.

2. Am 25.3.2003 ließen die Beteiligten bei einem freien Notar in Stuttgart einen Hofübergabe-Vertrag beurkunden, bei dessen Abschluss die Beteiligte Ziff. 2 sowohl im eigenen Namen als auch als vollmachtlose Vertreterin ihres Ehemanns handelte. Durch diesen Vertrag soll der Hof einschließlich des zum Betrieb gehörenden Zubehörs und die große Mehrzahl der Grundstücke auf den auf dem Hof lebenden Sohn (Beteiligter Ziff. 3) übertragen werden; drei Waldgrundstücke mit einer Fläche von ca. 2 Hektar sollen als Ausgleich ihrer Erbansprüche auf dessen Geschwister (Beteiligte Ziff. 4 und 5) übertragen werden. Als Gegenleistung des Übernehmers ist zum einen ein - im Grundbuch an vorderster Rangstelle einzutragendes - Altenteil (Leibgeding) vereinbart, dessen wichtigste Regelungen sich aus den weiteren Entscheidungsgründen ergeben. Durch diese Übergabe sollen zugleich alle Ansprüche des Beteiligten Ziff. 3 für seine bisherigen Leistungen auf dem Hof und zugunsten des Betroffenen (§ 2057a BGB) abgegolten werden. Wegen der Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen - einschließlich der Pflichtteilsverzichtserklärungen der Beteiligten zu 3) bis 5) - wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen.

3. Mit Schreiben vom 1./3.4.2003 übersandte der Urkundsnotar dem Notariat als VormG zwei Vertragsausfertigungen mit dem Antrag, einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen, weil die Betreuerin an der Vertretung des Betreuten gehindert sei; zugleich beantragte er die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrags.

Durch Beschluss vom 24.4.2003 wies das VormG den - für zulässig erachteten - Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers zurück mit der Begründung, der vorgelegte Vertrag sei nicht genehmigungsfähig, weshalb kein Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bestehe; Schenkungen seien nach §§ 1908i, 1804 BGB dem Betreuer verboten und deshalb nichtig und ein ausnahmsweise zulässiges Gelegenheitsgeschenk nach § 1908i Abs. 2 BGB könne hier nicht angenommen werden; auch eine von einer Schenkung zu unterscheidende Ausstattung nach § 1624 BGB liege nicht vor, weil es sich hier um eine vorweggenommene Erbfolge handle.

Der durch Anwaltschriftsatz vom 23./26.5.2003 im Namen der Betreuerin eingelegten Beschwerde half das VormG durch Beschluss vom 4.6.2003 nicht ab; trotz des berechtigten Interesses der Beteiligten am Abschluss eines solchen, durchaus üblichen Hofübergabevertrags stehe die Vorschrift des § 1804 BGB auch einer gemischten Schenkung entgegen.

4. Durch Beschluss vom 7.11.2003 hat das LG die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen und sich der rechtlichen Beurteilung des Notariats angeschlossen; entgegen dem Beschwerdevorbringen liege kein voll entgeltlicher Vertrag vor, weil die Pflegeleistungen nur unter näher bezeichneten Einschränkungen zugesagt seien, weshalb die wohl verstandenen Interes...

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