Leitsatz (amtlich)

1. Für die Geltendmachung von Ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer genügt es, wenn die Ansprüche eines Erwerbers auf Herstellung/Nachbesserung des Gemeinschaftseigentums bestehen und unverjährt sind. Wurden die Erwerbsverträge an verschiedenen Zeitpunkten abgeschlossen, die aufgrund des Übergangsrechts zu unterschiedlichen Rechtslagen hinsichtlich der Voraussetzungen, Rechtsfolgen oder Verjährung von Gewährleistungsansprüchen führen, dann ist im Ergebnis das für die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer günstigste Recht zu Grunde zu legen.

2. Ein Abzug "neu für alt" kommt auch bei werkvertraglichen Mängelhaftungsansprüchen nicht in Betracht, sofern sich der Vorteil des Bestellers darin erschöpft, dass das Werk durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Besteller durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspart (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Mai 2022 - V ZR 231/20 -, juris Rn. 16).

3. Dem Bauträger ist es als Verwender einer von ihm gestellten und der Inhaltskontrolle nicht Stand haltenden Abnahmeklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe. Die Gewährleistungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt in einem solchen Fall mangels wirksamer Abnahme grundsätzlich nicht zu laufen (Anschluss BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15 -, BGHZ 209, 128; Urteil vom 12.05.2016 - Az. VII ZR 171/15 -, juris; Urteil vom 9. November 2023 - VII ZR 241/22 -, juris).

4. Kenntnisse der Verwaltung, die im Hinblick auf die Frage relevant sind, ob eine konkludente Abnahme durch die Erwerber gegenüber dem Bauträger vorliegt, sind den einzelnen Erwerber erst zuzurechnen, nachdem ein Vergemeinschaftungsbeschluss über die Geltendmachung der Mängel durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergangen ist.

5. Die Haftung des Bauträgers wegen der Verwendung einer unwirksamen Abnahmeklausel reicht nicht weiter als eine Haftung wegen Arglist. In einem solchen Fall sind Mängelansprüche spätestens dann nicht mehr durchsetzbar, wenn hinsichtlich des Herstellungsanspruchs des Erwerbers die maximale Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB von 10 Jahren und eine sich anschließende 5-jährige Gewährleistungsfrist ab-gelaufen sind.

6. Nach Verjährung des Herstellungsanspruchs aus § 633 Abs. 1 BGB kann der Besteller nicht dadurch unverjährte Mängelansprüche herbeiführen, dass er die Abnahme erklärt.

 

Normenkette

AGBG § 24; BGB § 199 Abs. 4, §§ 242, 307 Abs. 1, § 439 Abs. 2, §§ 634, 634a, 635 Abs. 2; WEG § 9a Abs. 2, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.01.2023; Aktenzeichen 12 O 340/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. Januar 2023 (12 O 340/21) dahin gehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 373.760 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Vorschuss für Maßnahmen zur Beseitigung von behaupteten Korrosionserscheinungen und Undichtigkeiten des Metall-Pultdachs der Wohnanlage F-Straße 50-56 in X.

Bei dieser Wohnanlage handelt es sich um ein älteres Mehrfamilienhaus, das von der Beklagten grundlegend saniert und durch einen Anbau erweitert wurde. In diesem Zusammenhang wurde der ursprüngliche Holzdachstuhl mit Ziegeleindeckung abgetragen und durch ein Vollgeschoss mit Pultdach ersetzt. Die insgesamt 31 Wohneinheiten und 9 Teileigentumseinheiten wurden von der Beklagten in den Jahren 1999 bis 2001, ein Keller erst im Jahr 2002 veräußert. Nach § 5 Nr. 4 der Erwerbsverträge sollte die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch drei aus der Mitte der Käufer zu wählende Vertreter erfolgen. Zu diesem Zweck erfolgten zwischen Mai 2000 und Mai 2001 Abnahmebegehungen. Nachdem die Klägerin die Geltendmachung der Mängelrechte bezüglich des Daches durch Beschluss vom 06.12.2017 an sich gezogen hatte, machte sie ab dem Jahr 2018 im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens (12 OH 5/18) und ab dem Jahr 2021 im vorliegenden Verfahren Vorschussansprüche gelten.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes 1. Instanz im Übrigen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils 1. Instanz verwiesen.

A. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 292.000 EUR Vorschuss zur Mangelbeseitigung ...

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