Leitsatz (amtlich)

Einen veränderten Umstand i.S.d. § 927 I ZPO stellt auch der Wegfall der Wiederholungsgefahr in Folge einer nach Erlass der Eilmaßnahme abgegebenen Unterwerfungserklärung (UE) dar. Objektiv nachträglichen Umständen sind solche gleichgestellt, die dem Schuldner erst nachträglich bekannt werden. Die Aufhebungsentscheidung nach §§ 927 I, 936 ZPO betrifft lediglich die Fortdauer der Eilmaßnahme für die Zukunft (ex nunc-Wirkung), sofern nicht ausnahmsweise Anderes ausgesprochen ist. Daher entsteht i.d.R. durch eine Aufhebungsentscheidung keine Schutzlücke für in der Vergangenheit vorgekommene Verstöße. Im Regelfall fehlt deswegen einer Klage (oder Widerklage im Aufhebungsverfahren) des Gläubigers auf Feststellung, dass die Eilmaßnahme bis zum Zugang der UE berechtigt gewesen sei, das Rechtschutzbedürfnis. Demgegenüber kann dem Schuldner das Rechtschutzbedürfnis für einen Aufhebungsantrag allenfalls dann abgesprochen werden, wenn der Gläubiger nach Zugang der UE keinerlei Anlass zu Zweifeln daran gibt, dass er auf seine Rechte aus der Eilmaßnahme für die Zukunft verzichtet, d.h. Rechte nur in Bezug auf den vor der UE liegenden Zeitraum beansprucht. Solche Zweifel jedoch erweckt der Gläubiger, wenn er einen Verzicht auf die Rechte aus der Eilentscheidung nur unter der Bedingung erklärt, dass der Schuldner zuvor eine Abschlusserklärung abgibt, da letztere den Bestand der Eilmaßnahme in die Zukunft hinein erstreckt.

 

Normenkette

ZPO § 927 Abs. 1, § 936

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 17.01.2008; Aktenzeichen 17 O 683/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 17.1.2008 wird zurückgewiesen, die Widerklage vom 28.2.2008 wird abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 15.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist jedoch, ebenso wie die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage, unbegründet.

A. Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz (§ 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO):

Antragsgemäß sprach das LG aus:

1. Die einstweilige Verfügung des LG Stuttgart, Az 17 O 511/07, vom 27.8.2007 wird aufgehoben.

2. Die Kosten dieses Rechtsstreits trägt der Aufhebungsbeklagte.

Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten mit dem Antrag:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 17.1.2008 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Sowie widerklagend:

Es wird festgestellt, dass das Unterlassungsbegehren des Beklagten im Zeitraum zwischen dem 27.8.2007 und dem 11.9.2007 berechtigt war.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich des Weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

B. Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie zeigt zwar ein berechtigtes Anliegen des Rechtsmittelführers auf, sie ist jedoch im Ergebnis gleichwohl unbegründet. Die nämlichen Wertungsansätze führen auch zur Abweisung der erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage.

1. Gemäß §§ 927 Abs. 1, 936 ZPO kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Verfügungsgrundes, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt werden.

a)aa) Nach ganz herrschender Meinung fehlt aber ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag, wenn der Gläubiger auf die Rechte aus dem Verfügungsbeschluss verzichtet, den Titel herausgegeben und sich verpflichtet hat, die Kosten des Verfügungsverfahrens zu erstatten (BGHZ 122, 172 f. = GRUR 1993, 998, 1000 - Verfügungskosten; OLG Karlsruhe NJWE-WettbR 1999, 39, 40 [nur Verzicht]; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 96; WRP 1988, 247 [juris Tz. 44]; Büscher in Fezer, UWG [2005], § 12, 122; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. [2007], § 927, 3; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. [2007], § 927, 4; Hess in Ullmann jurisPK-UWG, § 12, 144, insb. 148; Spätgens in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl. [2005], § 104, 7; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 287; Piper in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. [2006], § 12, 156; Retzer in Harte/Henning, UWG [2004], § 12, 576; Schultz-Süchting, GK-UWG [1992], § 25, 282, 272 i.V.m. 226; vgl. auch Frankfurt OLGReport 2006, 266 [juris Tz. 10]; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. [2005], § 927, 10).

bb) Vor dem Aufhebungsantrag ist der Schuldner in der Regel gehalten, dem Verfügungskläger Gelegenheit zu geben, von sich aus auf den Titel zu verzichten ("Gegenabmahnung"). Fehlt es daran und erkennt der Gläubiger den Aufhebungsanspruch sofort an, hat der - obsiegende - Schuldner normalerweise gem. § 93 ZPO die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen (Hess, a.a.O., § 12, 147; Büscher, a.a.O., § 12, 125; Piper, a.a.O., 160; Spätgens, a.a.O., § 104, 7; vgl. auch Reichold, a.a.O., § 927, 7; Retzer, a.a.O., § 12, 600; Schultz-Süchting, a.a.O., § 25,...

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