Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 29.03.2019; Aktenzeichen 3 O 431/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten und Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 29.03.2019, Aktenzeichen 3 O 431/18 abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.842,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.12.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Touran 2.0 TDI, Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) ....., nebst Fahrzeugschlüssel.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für die weiteren Schäden, die aus der Ausstattung des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs mit einer Motorsoftware resultieren, welche so programmiert worden ist, dass die Motorsteuerungssoftware den Betrieb des PKW im neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkennt und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzt, während im normalen Straßenbetrieb der PKW in den Modus 0 versetzt wird.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

VI. Streitwert für die erste Instanz: Streitwertstufe bis 30.000,00 EUR

Streitwert für die zweite Instanz: Streitwertstufe bis 35.000,00 EUR

 

Gründe

A. Die Klagepartei begehrt mit ihrer Klage von der Beklagten Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw, der vom sogenannten "Abgasskandal" betroffen ist.

Die Klagepartei erwarb am 23.01.2012 bei der Fa. A. GmbH in H. den PKW VW Touran 2.0 TDI Blue Motion zum Kaufpreis von brutto 30.300,01 EUR (Anl. K 1 und K 2). Hiervon bezahlte die Klagepartei 27.900,00 EUR. Der Restbetrag wurde durch die Inzahlungnahme des bisherigen Fahrzeugs des Klägers getilgt. Es handelte sich um ein Neufahrzeug, das bei Übergabe an den Kläger einen Kilometerstand von 0 aufwies. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Typs EA 189 der Emissionsklasse Euro-5 verbaut. Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typengenehmigung nach der Euro-5-Norm vor. Die bei dem Fahrzeug verbaute Motorsteuergerätesoftware weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus eins, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus null betrieben, was zu höheren Emissionen führt.

In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 informierte die Beklagte über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189. Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt bezüglich der Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträgliche Nebenbestimmungen, da es davon ausging, dass die verwendete Motorsteuersoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält. Hierauf entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das vom Kraftfahrtbundesamt für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs freigegeben wurde. Die Klagepartei ließ das Software-Update am 06.12.2016 bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufspielen (Anl. K 3).

Die Klagepartei hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Verhalten der Beklagten erfülle den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB. Die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorsteuersoftware sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007.

Die streitgegenständliche Programmierung sei mit Kenntnis der Vorstandsmitglieder und deren Billigung erfolgt. Hinsichtlich der im einzelnen benannten Personen wird auf die Klageschrift, insbesondere die Seiten 9 und 10, Bezug genommen. Wenn sie von dem Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, so hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Im Rahmen des Schadensersatzes sei bei der Anrechnung von Gebrauchsvorteilen von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 500.000 km auszugehen. Ferner könne er Deliktszinsen aus § 849 BGB verlangen. Im Hinblick auf derzeit noch nicht bezifferbare Schäden habe er ein rechtliches Interesse an der Fe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge