Leitsatz (amtlich)
1. Bei Rundfunksendungen, die täglich ausgestrahlt werden und eine hohe Aktualität haben, erfolgt ein Gegendarstellungsverlangen unverzüglich bzw. "ohne schuldhaftes Zögern" im Sinne der presserechtlichen Regelungen, wenn es vom Betroffenen innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der Erstmitteilung dem Anspruchsverpflichteten zugeleitet wird.
2. Die mit der notwendigen inhaltlichen Änderung und der Zuleitung einer Zweitfassung der Gegendarstellung verbundene Zeitverzögerung ist jedenfalls dann nicht mehr unverschuldet, wenn die Erstfassung inhaltlich an groben, ohne weiteres erkennbaren Mängeln leidet. Da bei offensichtlich unwahren oder eindeutig irreführenden Gegendarstellungen ein berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung von vornherein nicht besteht, liegt in diesen Fällen ein beachtlicher Mangel vor.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 27.10.2005; Aktenzeichen 17 O 525/05) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 27.10.2005 (17 O 525/05) wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Streitwert: 10.000 EUR.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin verlangt vom beklagten Rundfunksender die Ausstrahlung einer Gegendarstellung in der "L. B-W".
Die Verfügungsbeklagte sendete dort am 26.7.2005 einen Beitrag, der sich mit dem Ausscheiden des ehemaligen Leiters des zweiten Reaktorblocks des Kernkraftwerks N. beschäftigte. Das Kraftwerk wird von der E. K. GmbH (E), einem Tochterunternehmen der Verfügungsklägerin, betriebenen. Vorstandsvorsitzender der Verfügungsklägerin ist Prof. Dr. C. In dem Beitrag hieß es u.a.: "... gefeuert hat ihn E-Chef U.C., ..., weil er sich für die Aufarbeitung der Störfälle stark gemacht hat." Die Verfügungsklägerin verlangte mit am 5.8.2005 der Verfügungsbeklagten zugestelltem Schreiben zunächst eine Gegendarstellung mit u.a. der Entgegnung, dass Prof. Dr. C. weder an der Entscheidungsfindung noch am Ausspruch der Kündigung beteiligt gewesen sei, der Grund für die Kündigung sei allein inakzeptables dienstliches Verhalten ggü. Vorgesetzten und Kollegen gewesen. Aus einem Protokoll der atomaufsichtsrechtlichen Befragung eines Geschäftsführers der E. vom 4.11.2004 geht allerdings hervor, dass der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin von der Entscheidung der Geschäftsführung, sich von dem Anlagenleiter zu trennen, sofort in Kenntnis gesetzt wurde und mit der Trennung einverstanden war. Die Kündigung wurde erst nach diesem Einverständnis ausgesprochen. Nach Ablehnung der Gegendarstellung stellte die Verfügungsklägerin beim LG Stuttgart einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der mit Urt. v. 1.9.2005 wegen offenkundiger Unrichtigkeit der Gegendarstellung, jedenfalls aber offensichtlicher Irreführung zurückgewiesen wurde (LG Stuttgart, Urt. v. 1.9.2005 - 17 O 455/05). Daraufhin verlangte die Verfügungsklägerin mit am 6.9.2005 der Verfügungsbeklagten zugegangenem Schreiben eine modifizierte Gegendarstellung mit dem streitgegenständlichen Inhalt. Die Verfügungsbeklagte lehnte eine Ausstrahlung erneut ab.
Die deshalb beantragte einstweilige Verfügung hat das LG durch Urt. v. 27.10.2005 mit der Begründung zurückgewiesen, hinsichtlich des erneuten Gegendarstellungsverlangens sei das Gebot der Unverzüglichkeit nicht gewahrt. Die Auffassung, wonach bei fehlerhaften Gegendarstellungen die Unverzüglichkeit gewahrt bleibe, wenn neue, überarbeitete Fassungen jeweils unverzüglich nach Zurückweisung der vorherigen Fassung zugeleitet werden, gelte jedenfalls nicht, wenn die ursprüngliche Fassung in ihrem wesentlichen Aussagegehalt falsch war und inhaltlich der Kernbereich der Aussage abgeändert wurde.
Mit der Berufung macht die Verfügungsklägerin geltend, die Zurückweisung der Zweitfassung könne nicht darauf gestützt werden, dass eine Veränderung des Erwiderungsinhalts vorliege und die Erstfassung über die Unrichtigkeit der Formulierung hinaus falsch gewesen sei. Der Vorstandsvorsitzende der Verfügungsklägerin sei über den gefassten Beschluss der E.-Geschäftsführung nur informiert worden und einverstanden gewesen. Dies sage nichts anderes, als dass er den Beschluss zur Kenntnis genommen, verinnerlicht und sich im Übrigen jeder Einflussnahme enthalten habe. Die Auffassung des LG, dass eine Beteiligung an der Entscheidungsfindung auch dann vorliege, wenn man von einer Entscheidung im Nachhinein unterrichtet werde und sich einverstanden erkläre, sei nicht zwingend. Die Zweitfassung befasse sich mit demselben Sachverhaltskomplex, es handele es sich um keine neue Gegendarstellung. In der Zweitfassung werde nichts grundlegend anderes mitgeteilt.
Die Verfügungsklägerin beantragt: Auf die Berufung der Klägerin wird das Verfügungsurteil des LG Stuttgart vom 27.10.2005 zur Geschäftsnummer 17 O 525/05 abgeändert und der Beklagten auferlegt, innerhalb der nächsten redaktionell noch nicht abgeschlossenen "L. B-W"
I. die folgende Gegendarstellung zu verlesen:
Gegendarstellung der E. B-W AG zu e...