Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 18 O 474/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.4.2019, Az.: 18 O 474/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.362,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.1.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2.0 l TDI 103 kw, ... nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, einem Notschlüssel, Kfz-Schein und Kfz-Brief.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 34 % und die Beklagte zu 66 %.
IV. Das vorliegende Urteil und das in Ziffer II. genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die eine Seite kann die Vollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 33.789 EUR festgesetzt.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der klagende Neuwagenkäufer macht gegen die beklagte Automobilherstellerin ... AG Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sogenannten Abgasskandal geltend.
I. Der Kläger kaufte am 20.9.2012 für 33.789 EUR brutto bei dem Autohaus Weber in Herrenberg einen Neuwagen VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2.0 l TDI, in dem ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist. In dessen Motorsteuerung wurde seitens der Beklagten eine Software zur Abgassteuerung installiert. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. Der "Modus 1" ist im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimiert. Er wird auf dem Prüfstand für die Bestimmung der Fahrzeugemissionen nach dem maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert und bewirkt eine höhere Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb ist der "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. Am 11.11.2016 wurde an dem Fahrzeug das Softwareupdate aufgespielt. Das Fahrzeug hatte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Landgerichts einen Kilometerstand von 90.558. Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien in erster Instanz auf das angegriffene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
II. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 23.589,45 EUR nebst Zinsen an den Kläger Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des VW Tiguan verurteilt. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB gegen die Beklagte zu. Der Kläger habe durch den Abschluss des Kaufvertrags über das Fahrzeug einen Schaden erlitten. Die Beklagte habe den Kläger konkludent darüber getäuscht, dass die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr und die Einstufung in die angegebene Schadstoffklasse gesetzmäßig erfolgt seien, während sie tatsächlich erschlichen worden seien. Das Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig gewesen. Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte seien zu bejahen. Im Wege des Vorteilsausgleichs habe der Kläger allerdings das erworbene Fahrzeug und - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - die gezogenen Nutzungen auf Grundlage einer Gesamtfahrleistung in Höhe von 300.000 km herauszugeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.
III. Beide Seiten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung den Antrag auf Ersatz des vollen Kaufpreises weiter. Der Kläger begehre einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Das Gesetz kenne die Anrechnung eines Nutzungsvorteils aber nur im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB. Indem das Gericht den Nutzungsabzug und die Anrechnung pauschal in einem Satz feststelle, verletze es das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe außerdem eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km angenommen, obwohl sich ebenso gut eine solche von 400.000 km oder 500.000 km ansetzen lasse. Das Gericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen können unabhängig von den Beweisantritten der Parteien.
Der Kläger beantragt mit seiner Berufung:
Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Stuttgar...