Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung
Leitsatz (amtlich)
Telefonsexverträge unter 0190-Servicenummern sind sittenwidrig. Ein Anspruch des Telekommunikationsunternehmens gegen den Telefonkunden besteht insoweit auch nicht aus dem auf Herstellung/Aufrechterhaltung der Telefonverbindung gerichteten Telefonvertrag und aus der Inkassotätigkeit für den Telefonsexanbieter.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 12 O 343/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 15.12.2000 wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 13.000,– DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Klägerin: |
je 108.283,87 DM. |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von Telefongebühren. Die Klägerin ist eine Telefon-Provider-Firma. Sie bietet für bei ihr angemeldete Kunden unter anderem einen Call-by-Call-Service.
Der Beklagte hat sich als Kunde bei der Klägerin registrieren lassen. In der Zeit von März 2000 bis Mai 2000 hat er über die Klägerin ausschließlich die Nr. 0190 … angewählt und sogenannte Telefonsexgespräche geführt. Dabei hat der 22-jährige Beklagte, der transsexuell ist und bei dem eine Geschlechtsumwandlung zum Mann durchgeführt wird, immer mit derselben Frau gesprochen.
Die Klägerin hat für diese Telefongespräche am 01.04.2000, 01.05.2000 und 01.06.2000 Rechnungen über insgesamt 108.283,87 DM ausgestellt. Der Beklagte hat diese Rechnungen nicht bezahlt.
Die Klägerin meint, es sei unerheblich, daß es sich bei der vom Beklagten ausschließlich angewählten Nummer um eine sogenannte Telefonsexnummer handle. Sie verkaufe als Telefon-Provider nur Telefoneinheiten und habe keinen Einfluß darauf, welche Telefonnummern der bei ihre angemeldete Kunde wähle und nutze.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 108.283,87 DM nebst 4 % Zinsen auf 54.454,41 DM seit 05.05.2000, auf 48.358,46 DM seit 31.05.2000, auf 5.471,– DM seit 19.06.2000 sowie 2.472,68 DM vorgerichtliche Mahnkosten nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, vor dem Hintergrund seiner Transsexualität und der laufenden Geschlechtsumwandlung sei er hinsichtlich der Telefonsexgespräche nicht geschäftsfähig gewesen. Trotz Kenntnis der finanziellen Folgen habe er nicht anders gekonnt als in jeder freien Minute diese Nummer anzuwählen. Im übrigen seien Telefonsexgespräche sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 21.12.2000 zugestellte Urteil mit einem am Montag. 22.01.2001, beim Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die sie am 22.02.2001 mit einer Begründung versehen hat.
Die Klägerin macht im wesentlichen geltend. Telefonsexgespräche seien nicht sittenwidrig. Im übrigen sei ihre Tätigkeit als neutrales Hilfsgeschäft zu werten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.12.2000 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 108.283,87 DM nebst 4 % Zinsen auf 54.454,41 DM seit dem 05.05.2000, auf 48.358,46 DM seit dem 31.05.2000, auf 5.471,– DM seit dem 19.06.2000 sowie 2.472,68 DM vorgerichtliche Mahnkosten nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt im wesentlichen das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
II.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf eine Vergütung für die am 01.04., 01.05. und 01.06.2000 abgerechneten Telefongebühren.
Der Beklagte hat im fraglichen Zeitraum von März bis Mai 2000 unstreitig nur die Nummer 0190 … angerufen und sogenannte Telefonsexgespräche geführt. Der Senat hält im Anschluß an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.06.1998 (NJW 1998, 2895 = MDR 1998, 1195) daran fest, daß ein Telefonsexvertrag sittenwidrig ist (OLGR Stuttgart 1999, 225; OLGR Stuttgart 1999, 421).
Streitig ist allerdings, wie die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien im einzelnen ausgestaltet sind, insbesondere wer Vertragspartner des Beklagten hinsichtlich bestimmter Leistungen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Telekommunikationsunternehmen biete das Telefonsexgespräch als eigenes Endkundenprodukt an (Schütz/Lober, MMR 1999, Heft 8 VI), teilwe...