Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 28.10.2016; Aktenzeichen 29 O 236/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.10.2016, Az. 29 O 236/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwehren, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 17.05.2017 auf 245.703,18 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin als Nachlassverwalterin des im Dezember 2012 verstorbenen F. B. macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Rückzahlung unberechtigt einbehaltener Vorfälligkeitsentschädigungen aus der verzugsbedingten außerordentlichen Kündigung eines Darlehens sowie der infolge wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ausgesprochener außerordentlicher Kündigung dreier weiterer Darlehen geltend, mit deren Raten sich die Darlehensnehmer ebenfalls in Verzug befanden. Für alle Darlehen waren Zinsbindungsfristen von 10 bzw. 15 Jahren vereinbart.
In den Kündigungsschreiben vom 22.02. und 05.04.2012 (Anl. K3, Bl. 17 der Akte; B3, Bl. 52 ff. der Akte) machte die Beklagte die jeweiligen Darlehensforderungen "zur sofortigen Rückzahlung", "für die Zeit des Zahlungsverzuges bis zur endgültigen Begleichung unserer Forderung [...] durch den Verzug entstandenen Schaden [...] Des Weiteren [...] den angefallenen Refinanzierungsschaden wie folgt geltend [...]". Überdies heißt es in beiden Schreiben:
"Wir werden gegen Sie keine gerichtlichen Maßnahmen treffen, wenn Sie bis spätestens 26.03.2012 [Anl. K5, Bl. 17 der Akte, bzw.] 11.05.2012 [Anl. B3, Bl. 52 f. der Akte] unsere o. g. Forderungen zuzüglich des jeweils ab Fälligkeit anfallenden Verzugsschadens sowie des etwaig anfallenden Refinanzierungsschadens zahlen.
Sollten unsere Forderungen bis zum genannten Termin nicht vollständig beglichen sein, werden wir uns geeignet erscheinende Maßnahmen zu Beitreibung unserer Forderung einleiten und bestellte Sicherheiten verwerten."
Von den durch die Erwerber an die Beklagte gezahlten Kaufpreisen für die grundschuldbesicherten Immobilien im November 2015, die die Beklagte zunächst mit den Darlehensvaluten verrechnete, behielt sie zum einen für die Zeiträume zwischen den Kündigungen im Februar/April 2012 und dem jeweiligen Ende der Zinsbindungsfrist Vorfälligkeitsentschädigungen i. S. e. Ersatzes für den erlittenen Nichterfüllungsschaden (nachfolgend immer i. d. S. und nicht im engeren Sinne des § 502 BGB verwendet) in Höhe von insgesamt 245.703,18 EUR ein. Diese berechnete sie auf der Grundlage der erzielbaren Wiederanlagezinsen und unter Abzinsung auf das Datum der Wirksamkeit der Kündigungen. Zusätzlich behielt die Beklagte Verzugszinsen i. H. v. 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit zwischen den Kündigungen bis zum Eingang der Kaufpreise ein. Den Rest zahlte sie an die Klägerin aus (Anl. K5, Bl. 19 der Akte).
Im Übrigen wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 28.10.2016 - 29 O 236/16 - (Bl. 113 ff. der Akte) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Beklagtenvertreter am 04.11.2016 zugestelltem (Bl. 122a der Akte) Urteil teilweise stattgegeben, indem es die Beklagte zur Zahlung von 83.501,12 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Der Beklagten stehe grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu, die nicht auf einen Betrag von 2,5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz beschränkt sei. Die Sperrwirkung des § 497 Abs. 1 BGB greife nicht, weil es sich bei den dem verstorbenen F. B. und dem Mitdarlehensnehmer G. N. gewährten Darlehen nicht um Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff. BGB) gehandelt habe.
Der Beklagten stehe jedoch neben dem Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens nicht für dieselben Zeiträume zusätzlich noch ein Anspruch auf Ersatz des durch die verspätete Zahlung entstandenen Verzögerungsschadens zu, da der Schaden andernfalls insoweit überkompensiert werde. Beide Ansprüche stünden vielmehr in einem Alternativverhältnis.
Allerdings habe die Beklagte das ihr zustehende Wahlrecht zwischen der Geltendmachung des Nichterfüllungs- und des Verzögerungsschadens für die Zeit zwischen Kündigung und Rückführung der Darlehen erst während des Prozesses zugunsten des Verzögerungsschadens ausgeübt. Daher habe sie Anspruch auf Ersatz des bis zur Rückführung der Darlehensvaluta geltend gemachten Verzögerungsschadens in Höhe von 106.246,06 EUR und des in der Zeit von der Rückführung der Darlehens...