Entscheidungsstichwort (Thema)
Träger von Abmahnkosten im Zusammenhang mit ungenügenden Belehrungen in Internetauftritt
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.05.2009) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 42. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 20.5.2009 geändert.
2. a) Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung i.H.v. 555,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz hieraus seit dem 25.11.2008 durch Zahlung an die Rechtsanwälte W.,... straße,..., E., freizustellen.
b) Im Übrigen wird die Klage unter gleichzeitiger Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen
a) im ersten Rechtszug der Beklagte 62 %, die Klägerin 38 %
b) des zweiten Rechtszugs der Beklagte 85 %, die Klägerin 15 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird zugelassen zur Frage, wie im Falle einer teils unberechtigten, teils berechtigten Abmahnung die Höhe der Abmahnkosten ermittelt wird.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 651,80 EUR
Gründe
I. Die Berufung ist zulässig, sie hat der Sache nach in beschränktem Umfang Erfolg.
Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Kurz und ergänzend:
Die Klägerin, Wettbewerberin des Beklagten auf dem Gebiet des Schulranzenvertriebs im Internet, macht Freistellung von Abmahnkosten aus einer Abmahnung vom 18.11.2008 (K 2 = Bl. 8 bis 14) wegen angeblich unzutreffender Widerrufsbelehrung von Kunden geltend.
Dabei ist unstreitig, dass die darin enthaltene - eine der dort vorgebrachten fünf Beanstandungen - Rüge hinsichtlich der Widerrufsbelehrung
Kosten der Warenrücksendung zu Unrecht erhoben worden ist.
Das LG sah die Abmahnung im Übrigen als berechtigt, das Anliegen der Klägerin auch nicht von rechtsmissbräuchlichem Abmahnunwesen geleitet an, führte jedoch die geltend gemachte 1,8-Geschäftsgebühr auf eine solche i.H.v. 1,3 zurück, da ein typischer und durchschnittlicher Fall betroffen sei, weshalb statt der begehrten Freistellung von Abmahnkosten i.H.v. 894,80 EUR samt Zinsen eine solche i.H.v. 651,80 EUR begehrt werden könne.
Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, welche unter vertiefender Wiederholung seiner erstinstanzlichen Verteidigung weiterhin auf Klageabweisung abzielt.
1. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs, der die Klage schon unzulässig machen würde (BGHZ 149, 371, 379 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung), verfängt nicht.
a) Zwar ist diese Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten (BGH GRUR 2006, 243 [juris Tz. 15] - MEGA SALE; 2002, 715 [juris Tz. 32] - Scanner-Werbung). Danach muss der als Verletzte in Anspruch Genommene den Rechtsmissbrauch nicht ausdrücklich rügen; er muss aber dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung verschaffen (Jestaedt in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. [2009], Kap. 20, 6; Bergmann in Harte/Henning, 2. Aufl. [2009], § 8, 309; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. [2007], Kap. 13, 54). Die Beweislast obliegt - im Freibeweis - dem Beklagten, der die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen hat (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. [2009], § 8, 425; Bergmann, a.a.O., 309; Seichter in Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl. [2009], § 8, 176).
b) Der Beklagte ist schon der ihm obliegenden Darlegungslast nicht gerecht geworden. Er hat sich darauf beschränkt, den Einwand zu erheben und auf ein vor dem Senat geführtes anderes Verfahren mit der Klägerin zu verweisen. Diese Verweisung mag genügt haben, wenn dort der Rechtsmissbrauch wegen eines Abmahnunwesens festgestellt worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Senat hat den dort weit ausführlicher als hier begründeten Einwand geprüft und verworfen. Darauf hat der dort abgemahnte, erstinstanzlich erfolgreich gewesene Beklagte anerkannt (2 U 24/09). Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
2. Auch die Verteidigung, die Klägerin habe nach dem Gang der vorprozessualen Korrespondenz auf die Geltendmachung dieser Kosten verzichtet, greift nicht.
a) Ein Erlass/Verzicht kann nur ausnahmsweise angenommen werden, wenn sich aus der maßgeblichen Erklärung eindeutig ergibt, dass Rechtspositionen aufgegeben werden sollen (BGH ZOV 2009, 237 [Tz. 19]). An die Feststellungen eines Verzichts, der nicht vermutet werden darf, sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NZG 2009, 948 [Tz. 15]; Grüneberg in Palandt, BGB, 68. Aufl. [2009], § 397, 6). Das Angebot zum Verzicht oder einer vergleichbaren Abrede muss unmissverständlich erklärt werden (BGH U. v. 26.10.2009 - II ZR 222/08 [Tz. 18]).
b) Der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 24.11.2008 auf die Abmahnung vom 18.11.2008 hin eine Erklärung abgegeben (K 3 = Bl. 15 bis 17), eine Zahlung von Abmahnkosten jedoch abgelehnt, da das Vorgehen insgesamt rechtsmissbräuchlich sei und die Klägerin insoweit auf den Klageweg verwiesen. Wenn dann die Klägerin in ...