Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abschlagsforderung kann nicht mehr verlangt werden, wenn die Bauleistung abgenommen oder ein Abrechnungsverhältnis entstanden ist und die Frist abgelaufen ist, binnen derer der Auftragnehmer gemäß § 14 Nr. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat.
2. Soweit sich aus der Schlussrechnung ein unstreitiges positives Guthaben ergibt, ist dieses als endgültige Teil-Schlusszahlung (und nicht als Abschlagszahlung im Sinne des § 16 Abs. 1 VOB/B) zu begleichen.
3. Als Gläubiger des Abschlagszahlungsanspruchs hat der Auftragnehmer dessen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal die fehlende Schlussrechnungsreife.
4. Der Auftraggeber muss im Prozess im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zur Schlussrechnungsreife vortragen, um dem Auftragnehmer den Vortrag und den Beweis zu ermöglichen, dass mangels Schlussrechnungsreife weiterhin ein Anspruch auf Abschlagszahlung besteht.
5. Abschlags- und Vorauszahlungsforderungen können selbstständig geltend gemacht werden und sind deshalb bis zum Eintritt der Schlussrechnungsreife zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Verzugs vorliegen. Dieser Zinsanspruch bleibt auch nach Eintritt der Schlussrechnungsreife durchsetzbar.
6. Ein umfassender Einwendungsausschluss in AGB, der die Berufung auf die später eingetretene Schlussrechnungsreife und damit den Wegfall der Abzahlungs- bzw. Vorauszahlungsforderung verbieten würde, ist nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Schuldners auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 286, 305c Abs. 2, §§ 307, 632a, 650g Abs. 4, § 781; VOB/B § 14 Abs. 3, § 16 Abs. 1, 3 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen 10 O 73/17 KfH) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Ulm vom 05.07.2018 - Az. 10 O 73/17 KfH - wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.585,05 EUR zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Den Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, ist das Urteil des Landgerichts Ulm vom 05.07.2018 - Az. 10 O 73/17 KfH - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 127.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Urkundenprozess um die Frage, ob der Klägerin, einem slowenischen Factoring-Unternehmen, aus abgetretenem Recht Abschlags- bzw. Vorauszahlungsforderungen aus Bauverträgen gegen die Beklagte Ziff. 1 und die Beklagte Ziff. 2 als deren Komplementärin in Höhe von zusammen 127.500,00 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zustehen.
Die Beklagte Ziff. 1, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte Ziff. 2 ist, beauftragte die in Slowenien ansässige Firma M. in storitve, (im Folgenden Firma M.) als Subunternehmerin mit der Ausführung von Stahlarbeiten bei den folgenden Bauvorhaben.
Bauvorhaben G., Werkvertrag vom 01.04.2016 (Anl. B6)
Bauvorhaben A., Werkvertrag vom 11.01.2017 (Anl. B1)
Bauvorhaben GE., Werkvertrag vom 24.02.2016 (Anl. B4).
In den beiden vorgelegten Werkverträgen A. und GE. wurde jeweils die Geltung deutschen Rechts und die Anwendung der VOB/B in der aktuellen Fassung (also VOB/B in der seit 18.04.2016 geltenden Fassung) vereinbart.
Die Firma M. schloss mit der Klägerin Factoring-Vereinbarungen ab.
Mit Zessionsvertrag vom 25.01.2017 trat die Firma M. an die Klägerin eine Forderung gegen die Beklagte Ziff. 1 gemäß folgender Aufstellung ab:
Rechnung Nr. 009/017-FA über 35.000 EUR, Rechnungsdatum 24.01.2017, mit Fälligkeit am 10.03.2017
(Anl. K1 in slowenischen Sprache, deutsche Übersetzung: Anl. K2).
Mit Zessionsvertrag vom 13.02.2017 trat die Firma M. an die Klägerin eine weitere Forderung gegen die Beklagte Ziff. 1 gemäß folgender Aufstellung ab:
Rechnung Nr. 015/017-FA über 92.500 EUR, Rechnungsdatum 08.02.2017, mit Fälligkeit am 25.03.2017
(Anl. K6 in slowenischer Sprache, deutsche Übersetzung: Anl. K7).
Die Beklagte Ziff. 1 bestätigte mit Datum vom 25.01.2017 die Abtretung der Forderung über 35.000,00 EUR mit den oben genannten Daten (deutschsprachige Abtretungsbestätigung Anl. K3) und mit Datum vom 13.02.2017 die Abtretung der Forderung über 92.500,00 EUR mit den oben genannten Daten (deutschsprachige Abtretungsbestätigung Anl. K8). In den deutschsprachigen Abtretungsbestätigungen heißt es jeweils gleichlautend unter anderem:
"Wir erkennen das Bestehen der oben genannten abgetretenen Forderungen an und erklären unwiderruflich, dass wir gegen den neuen Gläubiger F. d. o. o. keine Einsprüche, Reklamationen und Gegenansprü...