Leitsatz (amtlich)

Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten i.S. von § 22 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 WpHG a.F. Mitteilungspflicht nach WpÜG Auf die Streitfrage, ob die Zurechnungstatbestände des § 22 Abs. 2 WpHG a.F. weit auszulegen sind und demgegenüber bei § 30 WpÜG eine restriktive Auslegung geboten ist, kommt es nicht an, wenn bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WpHG a.F. nicht festgestellt werden kann, da sich dann nach § 35 WpÜG i.V.m. § 30 Abs. 2 WpÜG jedenfalls nichts Abweichendes ergeben kann. Das - mittlerweile rechtskräftige - Urteil erging nach Aufhebung des Senatsurteils vom 17.05.2017 (20 U 1/16) und Zurückverweisung der Sache durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.09.2018 (II ZR 190/17), wobei beide vorerwähnten Entscheidungen bereits zuvor veröffentlicht wurden.

 

Normenkette

WpHG a.F. § 22 Abs. 2; WpÜG § 30 Abs. 2, § 35

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 17.05.2017; Aktenzeichen 20 U 1/16)

LG Stuttgart (Urteil vom 29.04.2016; Aktenzeichen 31 O 7/14 KfH)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 29.04.2016 (31 O 7/14 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens wie auch des Revisionsverfahrens des Bundesgerichtshofs II ZR 190/17 zu tragen.

3. Dieses Urteil wie auch das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf 95.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Aktionär der Beklagten, bei welcher es sich um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt.

Nachdem über das Vermögen der Beklagten am 01.05.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hatte deren Hauptversammlung am 13.05.2011 unter dem damaligen Alleinvorstand und Aktionär H... R... u.a. die Fortsetzung der Gesellschaft sowie eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung beschlossen. H... R... hatte laut seiner Stimmrechtsmitteilung vom 06.12.2011 94,45% der Aktien besessen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Wege des Planverfahrens hatte der Kläger Anfang 2012 fast 36% der neuen Aktien übernommen. Sein Aktienanteil hatte danach 19,56% am gezeichneten Kapital entsprochen. Für diese Aktien hatte der Kläger am 23.04.2013 eine Stimmrechtsmitteilung abgegeben. H... R... war am 10.04.2013 aus wichtigem Grund als Vorstand abberufen und ein neuer Vorstand bestellt worden. Am 18.02.2014 verfügte H... R... über 10,89% der Aktien.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger hinsichtlich der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2014 die Nichtigerklärung, hilfsweise Nichtigkeitsfeststellung bzw. höchst hilfsweise Unwirksamkeitsfeststellung von Beschlüssen zu TOP 4 (Klagantrag Ziff. 1 a; vgl. LGU 7), zu TOP 6 a und 6 b (Klagantrag Ziff. 1 b; vgl. LGU 7 f.), zu TOP 7 (Klagantrag Ziff. 1 c; vgl. LGU 8), zu TOP 8 a, 8 b, 8 c, 8 d, 8 e und 8 f (Klagantrag Ziff. 1 d; vgl. LGU 8 f.).

Zur Begründung macht er geltend, dass ihm zu Unrecht der Zutritt zur Hauptversammlung vom 21.02.2014 verweigert worden sei. Demgegenüber beruft sich die Beklagte auf eine fehlende Anfechtungsbefugnis des Klägers sowie insbesondere auf den behaupteten Verlust der Aktionärsrechte des Klägers wegen abgestimmten Verhaltens ("acting in concert") mit anderen Aktionären. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen landgerichtlichen Urteils vom 29.04.2016 (31 O 7/14 KfH; GA IV 374 ff.) Bezug genommen.

Mit dieser Entscheidung hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben und antragsgemäß folgende Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.02.2014 für nichtig erklärt:

1. zum Tagesordnungspunkt 4 a (Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats): "den Mitgliedern des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2011 Entlastung zu erteilen: a) Dr. S... Sch....";

2. zum Tagesordnungspunkt 6 (Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Bestellung eines besonderen Vertreters):

"a) Geltend zu machen sind Ersatzansprüche (insbesondere Beseitigungs-, Ausgleichs-, Schadensersatzansprüche) gemäß § 147 Abs. 1 AktG, insbesondere gemäß den §§ 57, 62, 88, 93, 16, 117, 310, 318 AktG, §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2, 812, 823 Abs. 1, 826 BGB i.V.m. §§ 264 Abs. 1, 266 StGB aus den nachfolgend genannten Sachverhaltskomplexen gegen die genannten Personen und nahestehenden Gesellschaften dieser Personen: Aus folgenden Vorgängen sollen Ersatzansprüche geltend gemacht werden:

1. Auszahlungen des damaligen Vorstandes H... R... in seiner Funktion als Vorstand der Gesellschaft im Februar und März 2012 an...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge