Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 29.08.2006; Aktenzeichen 11 O 27/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Streithelferin der Beklagten wird das am 29.8.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG Lübeck geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für den Berufungsrechtszug wird auf 26.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr oder den Personen, deren Schäden sie im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen kann, wegen des Verlustes von 18 Kartons und einer Stange Zigaretten auf dem Transport von L. nach Le. in Spanien am 24.3.2005 entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Klägerin produziert Zigaretten und Zigarren, auch für ausländische Kunden. Die Beklagte ist eine Spedition. Sie gab den Transportauftrag an die Streithelferin weiter, die ihrerseits die B. Gr. AS, T., Estland beauftragte. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, weil die Klägerin durch Vorlage der Richtlinie 92/12/EWG vom 25.2.1992 belegt habe, dass sie vom französischen Staat noch mit der Zahlung von Verbrauchssteuern belegt werde. Die Beklagte treffe ein qualifiziertes Verschulden an dem Abhandenkommen der Zigaretten, weil sie nicht substantiiert vorgetragen habe, den Lkw nachts auf einem bewachten Parkplatz abgestellt zu haben und deshalb von einem Abstellen auf einem unbewachten Parkplatz auszugehen sei, was als grob fahrlässig zu bezeichnen sei.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Streithelferin geltend:

  • Das LG habe den Begriff der Leichtfertigkeit verkannt.
  • Es fehle eine Würdigung zur Frage des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts i.S.v. § 435 HGB.
  • Ihr Beweisantritt, Zeugnis des Fahrers V. K., zur Frage "bewachter Parkplatz", sei übergangen worden.
  • Zu Unrecht schließe das LG aus der Kostenfreiheit bzw. aus dem Fehlen einer Quittung auf eine fehlende Bewachung.
  • Ein Verstoß gegen Denkgesetze liege darin, dass das LG eine besondere Diebstahlsgefährdung aus der Beladung mit Tabakwaren ableite, weil dies nicht zu erkennen gewesen sei.
  • Die Beklagte sei unstreitig nicht angewiesen worden, nur bewachte Parkplätze anzufahren, sondern nur, das Fahrzeug nicht allein zu lassen.
  • Das LG habe die Anforderungen an die sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Frachtführers überzogen, da hier der Schadenshergang nicht völlig im Dunkeln liege.
  • Die Klägerin habe Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten nicht aufgezeigt, insbesondere nicht einmal vorgetragen, dass der Schadensort in einer diebstahlsgefährdeten Zone liege.

Die Streithelferin der Beklagten beantragt, das am 29.8.2006 verkündete Urteil des LG L. aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie bestreitet den Vortrag der Beklagten zur Schadensentstehung und behauptet, angesichts der langen Transportzeit sei der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, die Fahrer seien bewusst einen Umweg gefahren, um einen Teil der Zigaretten "anderweitig" abzuliefern. Wenn der Lkw auf einem nicht bewachten Parkplatz abgestellt worden sei, sei dies auch dann leichtfertig, wenn die Art der Ladung von außen nicht zu erkennen gewesen sei. Schon aus dem Zollverschluss könnten Diebe auf stehlenswerte Ware schließen. Auch sei es seit Jahren europaweit üblich, dass Diebe Planen-Lkw aufschlitzten, um zu überprüfen, ob sich auf diesen stehlenswertes Gut befinde.

Mit der Terminsladung vom 13.3.2007 hat der Senat die Parteien darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung des LG die Beklagte bzw. ihre Streithelferin hinreichend substantiiert behauptet haben dürfte, der Lkw sei auf einem bewachten Parkplatz abgestellt worden. Das Gegenteil müsse dann die Klägerin beweisen. Hierzu vertritt die Klägerin die Auffassung, nach der Rechtsprechung des BGH sei es Sache des Frachtführers, die von ihm substantiiert vorzutragenden Tatsachen ggf. auch zu beweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Berufung der Streithelferin der Beklagten ist begründet. Berufungsgründe i.S.v. § 513 ZPO i.V.m. §§ 546, 529 ZPO liegen vor.

A. Die Feststellungsklage ist zulässig. ...

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