Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt vom Kaufvertrag: Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache als einheitlicher Leistungsort für die Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 17.09.2015, Az. 5 O 68/15, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht Tübingen ist örtlich zuständig und die Klage auch im Übrigen zulässig. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Tübingen zurückzuverweisen.

I. 1. Das Landgericht Tübingen ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.

Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des materiellen Rechts. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Rechtsverhältnisses zu entnehmen ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Bei gegenseitigen Verträgen besteht danach im allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden (BGH, Urt. v. 4. März 2004 - IX ZR 101/03, BGHR ZPO § 29 Abs. 1 Gerichtsstand). Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet sich der Leistungsort für die wechselseitigen Leistungen jeweils nach den Wohnsitzen der Vertragsparteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich (BGH, Beschluss vom 05.12.85 - I ARZ 737/85, NJW 86, 935; Urteil vom 09.03.95 - IX ZR 134/94, NJW 95, 1546). Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetzlicher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort bestimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben (BGH, Urteil vom 11.11.2003 - X ARZ 91/03, NJW 2004, 54, 55; Urteil vom 24.01.2007 - XII ZR 168/04, juris Rz. 11). Die einmal gegebene Zuständigkeit des Prozessgerichts wird gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori; BGH, Urteil vom 26.04.2001 - IX ZR 53/00, juris Rn. 10).

a) Zwar haben die Parteien keinen Leistungsort bestimmt, jedoch liegen hier Umstände vor, nach denen es sachgerecht und der Interessenlage der Parteien angemessen erscheint, einen einheitlichen Erfüllungsort dort anzunehmen, wo sich das streitgegenständliche Fahrzeug vertragsgemäß befindet. Dies ist hier bei der Klägerin im Landgerichtsbezirk Tübingen.

b) Damit folgt der Senat der herrschenden Meinung. Danach ist einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewährsansprüche nach Rücktritt vom Kaufvertrag, jedenfalls nach beiderseitiger Vertragserfüllung, der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (BGH, Urteil vom 09.03.1983 - VIII ZR 11/82, NJW 83, 1479, 1480 - Dachziegelfall; Urteil vom 20.11.1961 - VIII ZR 167/60, MDR 1962, 399, 400; OLG München, Urteil vom 13.01.2014 - 19 U 3721/13, juris Rz. 14; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.04.2013 - 8 SA 9/13, BeckRS 2013, 17459; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2013, 22 W 19/13, juris Rz. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 29 Rn. 25, Stichwort Kaufvertrag; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., 2016, 269 Rn. 16; Mü-Komm/Patzina, ZPO, 4. Aufl, 2013, § 29 Rn. 62; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 12. Aufl., § 29 ZPO Rn. 28; a.A. Stöber, NJW 2006, 2661; LG Stralsund, Beschluss vom 13.10.2011 - 6 O 211/11). Der Schwerpunkt der Rückabwicklung des Vertrages liegt wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Leistung an einem bestimmten Ort. Deshalb ist er als Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Januar 2007 - XII ZR 168/04, BGHR ZPO § 29 Abs. 1 Beherbergungsvertrag 1 mwN). Das gilt jedenfalls dann, wenn ein mit dem Rückgabeanspruch des Verkäufers nach § 346 Abs. 1 BGB korrespondierender Rücknahmeanspruch des Käufers besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 14.01.2009 - VIII ZR 70/08 BGH Report 2009, 485 Rz. 21). Dann hat der Verkäufer bei der Rücknahme der Kaufsache seine nach § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllende Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises an diesem Ort zu erfüllen.

Dem Käufer steht hier ein Anspruch auf Rücknahme, dem Verkäufer ein solcher auf Rückgewähr zu, das folgt aus § 346 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 14.01.2009 - VIII ZR 70/08 aaO). Der Rücktrittsgrund, nämlich das Vorliegen eines Sachmangels, rührt aus dem Risikobereich des...

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