Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 11.07.2019; Aktenzeichen 2 O 387/17) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 11.07.2019, Az. 2 O 387/17, abgeändert:
(1) Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld/Ordnungshaft zu unterlassen,
(a) die Grundstücke mit den Flurstück-Nummern der Gemeinde ... 665/4, 668/3 und 665/5 als Abstellplatz für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Anhänger sowie als betriebsbezogenen Lagerplatz für Güter (etwa Holz, Futtermittel, Kunststoffwassertanks) zu verwenden,
(b) den Teil der Getreideübergabehalle, der sich auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nummer 665/4 befindet, als Lagerfläche für landwirtschaftliche Güter, insbesondere für Stroh und Getreide, zu nutzen.
(2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, bezüglich des Ausspruchs unter 1. (1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR. Bezüglich der Kosten kann jede Partei die Vollstreckung der jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger fordern vom Beklagten, es zu unterlassen, bestimmte ihm gehörende, an seinen landwirtschaftlichen Betrieb angrenzende, Grundstücke betriebsbezogen zu verwenden. Außerdem verlangen sie, dass der Beklagte es unterlässt, die Nebenstraße, an der ihre Wohnhäuser liegen, als Zufahrt zu seinem Betrieb zu nutzen. Diese Forderungen stützen sie darauf, dass ihre Grundstücke in einem allgemeinen Wohngebiet liegen und sie daher Anspruch auf Erhaltung dieses Gebietscharakters hätten (Gebietserhaltungsanspruch).
Der Beklagte ist Eigentümer des Flurstücks 667/3 in ... (...), auf dem er, wie seine Familie bereits seit Generationen, Landwirtschaft betreibt, insbesondere ist er als Schweinemäster tätig. Das Flurstück 667/3 liegt im nichtbeplanten Innenbereich mit dem Charakter eines Dorfgebietes im Sinne von § 5 BauNVO. Es grenzt an seiner südöstlichen Seite unmittelbar an das Gebiet "..." an, bei dem es sich gemäß dem dafür bestehenden Bebauungsplan, dessen Wirksamkeit zwischen den Parteien allerdings im Streit ist, um ein allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 15 BauNVO handelt. Das am weitesten östlich liegende Gebäude des Betriebs des Beklagten, die sog. Getreideübergabehalle, ist an der Südseite über die Grenze zum Flurstück 665/4 hinübergebaut. Eigentümer dieses Grundstücks ist ebenfalls der Beklagte. Der größere Anteil des Gebäudes befindet sich auf dem Flurstück 667/3, also auf dem Gelände des landwirtschaftlichen Betriebs dazu wird auf den Lageplan Anlage K 1 Bezug genommen). Die Baugenehmigung für die Halle wurde dem Beklagten am 24.05.2007 erteilt (dazu Anlage dst 4.6/Bl. 95/Anlagenband). Er hat im Zusammenhang mit der Baugenehmigung gegenüber der Gemeinde ... eine Vereinigungsbaulast übernommen, wonach die Grundstücke 665/4 und 667/3 für Zwecke des Baurechts als einheitliches Grundstück gelten (Anlage dst 17/Bl. 381 d.A.).
Das gesamte Flurstück 665/4 liegt im Gebiet des Bebauungsplans "...". Damit liegt also auch der auf diesem Grundstück errichtete Teil der Getreideübergabehalle im Plangebiet. Auf dem Grundstück 665/4 ist außerdem ein Wohnhaus errichtet. Es wurde 1975 als Betriebsleiterwohnhaus erbaut, nachdem der landwirtschaftliche Betrieb einen Brandschaden erlitten hatte. Es wird von den Eltern des Beklagten bewohnt. Die dem Vater des Beklagten erteilte Baugenehmigung datiert vom 08.06.1973 (Anlage dst 4.4./Bl. 85 d.A./Anlagenband).
Im Osten grenzt das Flurstück 668/3 an das Betriebsgrundstück 667/3 an. An dieses Grundstück schließt sich südlich das Flurstück 665/5 an. Eigentümer dieser beiden Grundstücke ist ebenfalls der Beklagte. Auch sie liegen im Wohngebiet "..." (dazu Planskizzen Anlagen K 1 und K 2/Bl. 7a und 7b d.A.).
Der erste Bebauungsplan für das Wohngebiet trat am 05.01.1973 in Kraft. Er wies den Bereich, in dem die Grundstücke der Kläger liegen als reines Wohngebiet aus. Dieser Plan wurde mit verändertem räumlichem Geltungsbereich durch einen weiteren Bebauungsplan ersetzt, der am 28.09.1979 in Kraft trat (zeichnerische Darstellung, Anlage dst 8/Bl. 172/Anlagenband die Anlage dst 8 wurde vom Beklagtenvertreter zwar als zeichnerischer Teil des Plans vom 05.01.1973 bezeichnet, aus den Datumsangaben in dieser Anlage ist aber ersichtlich, dass es sich um den späteren Plan handelt). In dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1979 ist das Plangebiet als allgemeines Wohngebiet bezeichnet. Außerdem ist in der zeichnerischen Darstellung (Anlage dst 8/Bl. 172/Anlagenband) auf dem Flurstück 668/3 des Beklagten eine Verkehr...