Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 11.05.2018; Aktenzeichen 18 O 455/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.11.2021; Aktenzeichen II ZR 315/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.05.2018, Az. 18 O 455/17, wird zurückgewiesen.

2. Auch die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin Ziffer 1 58 %, die Klägerin Ziffer 2 42 %. Von den Kosten der Berufung trägt die Klägerin Ziffer 1 78 %, die Klägerin Ziffer 2 22 %.

4. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 77.616.626,00 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Nicht-Annahme eines öffentlichen Kaufangebots zum Erwerb von Aktien der cxx AG (heute mxx AG) in Anspruch.

Bei den Klägerinnen handelt es sich um Investmentfonds, die Aktien der cxx AG (Zielgesellschaft) hielten. Nach Prüfung und Gestattung der Angebotsunterlagen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) veröffentlichte die Beklagte am 28.02.2014 unter der Firma dxx GmbH & Co. KGaA ein auf den Erwerb sämtlicher Aktien der cxx AG gerichtetes öffentliches Übernahmeangebot nach dem WpÜG zum Preis von 23,50 EUR je Aktie. Die Annahmefrist für das Angebot endete am 02.04.2014, die weitere Annahmefrist am 22.04.2014. Die getätigten Vorerwerbe und die Festsetzung des Angebotspreises wurden in den Angebotsunterlagen unter Punkt 7.7 und Punkt 10 erläutert (Anlage K 1, I, Bl. 51, Bl. 61). Die Klägerinnen nahmen innerhalb der Annahmefrist weder mit der Beklagten Kontakt auf, noch erklärten sie die Annahme des Angebots. Mit Urteil vom 07.11.2017 entschied der BGH in einem Rechtsstreit zwischen einem früheren Aktionär der cxx AG und der Beklagten, dass der Angebotspreis von 23,50 EUR pro Aktie nicht angemessen im Sinne des § 31 WpÜG sei (BGH, Urteil vom 07.11.2017 - Az.: II ZR 37/16, K 11, I, BI. 111). Das ergibt sich nach Auffassung des BGH daraus, dass die Beklagte bei der Festlegung des Angebotspreises den Erwerb diverser Wandelschuldverschreibungen fälschlicherweise nicht als Vorerwerb im Sinne der § 31 Abs. 6 WpÜG, § 4 WpÜG-AngVO qualifiziert und daher für den gesetzlichen Mindestpreis als irrelevant angesehen habe (BGH aaO). Der angemessene Angebotspreis richte sich nach dem höchsten für den Erwerb der Wandelanleihen (bezogen auf eine Aktie) bezahlten Betrag von 30,95 EUR (BGH aaO).

Die Klägerinnen sind der Auffassung, ihnen stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 30,95 EUR je Aktie Zug-um-Zug gegen Übereignung der Aktien an die Beklagte zu. Zum Zeitpunkt des Angebots habe die Klägerin Ziffer 1 592.300 Aktien und die Klägerin Ziffer 2 407.700 Aktien gehalten. Der von der Beklagten in den Angebotsunterlagen angegebene Preis sei zu niedrig und daher nicht angemessen gewesen. Ihr Schaden bestehe darin, dass sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angebotsunterlage das Angebot nicht angenommen hätten. Dies hätten sie jedoch bei einem Preis pro Aktie von 30,95 EUR getan.

Die Beklagte ist der Meinung, für die Begründung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses fehle es an einer irgendwie gearteten individuellen Kontaktaufnahme im Sinne von Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien. Darüber hinaus habe sie nicht schuldhaft gehandelt, weil sie die Thematik der Mindestpreisrelevanz von derivativ erworbenen Wandelanleihen bereits im Vorfeld der Ankündigung des ersten Übernahmeangebots mit der BaFin besprochen habe. Auf die von dort erteilte Auskunft, dass es eine solche Mindestpreisrelevanz nicht gebe, habe sie vertrauen dürfen. Dies insbesondere deshalb, weil zum Zeitpunkt des Angebots rechtlich nicht geklärt gewesen sei, ob der Kauf von Wandelschuldverschreibungen preisrelevant sei. Von den abweichenden Ansichten in der Literatur hätten auch die Klägerinnen vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots Kenntnis gehabt. Deshalb treffe diese zumindest ein Mitverschulden. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses, weil sie ein Angebot zum Preis von 30,95 EUR nicht abgegeben hätte. Außerdem hätten die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass sie die behauptete Anzahl der Aktien halten würden und diese zum Preis von 30,95 EUR verkauft hätten.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen.

Am 04.04.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart statt. Den Klägerinnen wurde Gelegenheit zur Replik und Stellungnahme auf einen gerichtlichen Hinweis eingeräumt (III Bl. 325). Innerhalb der Frist reichten die Klägerinnen einen Schriftsatz zur Akte,...

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