Leitsatz (amtlich)

Nicht die WEG, sondern die einzelnen Grundstückseigentümer sind passiv legitimiert, aufgrund einer die Sicherstellung der Bebaubarkeit des herrschenden Grundstücks bezweckenden Grunddienstbarkeit eine Baulast zu übernehmen.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 S. 3; LBO Ba.-Wü § 71

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 25.04.2012; Aktenzeichen 22 O 299/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 22. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 25.4.2012 dahin abgeändert, dass unter Abweisung der weiter gehenden Klage

1. festgestellt wird, dass die zu Lasten des Grundstücks der beklagten WEG Grundbuch Blatt 2675 bis 2726 an dem Grundstück Gemarkung ... Flurstück 31 ... 6/2, 6/3 und ... 53 eingetragenen Grunddienstbarkeiten für Flurstück 30/2 ... 6/004 betreffend Geh- und Fahrrecht es gestatten, dass das Geh- und Fahrrecht unbegrenzt ausgeübt werden kann, insbesondere nicht dahin beschränkt ist, dass keine schwereren Lasten als 2,5 t über das dienende Grundstück geschafft werden dürfen und die ebenfalls eingetragene Grunddienstbarkeit betreffend Abwasseraufnahme die Entwässerung nicht auf den derzeitigen Baubestand des Flurstücks 30/2 ... 6/004 beschränkt,

2. die Beklagte verurteilt wird, an die Kläger vorprozessuale Rechtsanwaltskosten von 2.015,38 EUR zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

IV. Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten wurde, sind vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet wird.

Streitwert der Berufung: 250.000 EUR

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Stuttgart die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Kläger können von der Beklagten nicht die Bewilligung einer Baulast verlangen. Ein solcher Anspruch steht ihnen nur gegen die einzelnen Eigentümer zu, nicht aber gegen die WEG. Demgemäß haben die Kläger insoweit auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

1. Die Berufung ist insgesamt zulässig. Zwar reichte die Beklagte erst mit einem nach Ablauf der verlängerten Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz eine die Verurteilung zur Zahlung der vorgerichtlichen Kosten betreffende Begründung ein (Bl. 328, 353). Doch war die Berufung hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der vorgerichtlichen Kosten bereits durch die Begründungsschrift vom 2.8.2012 ausreichend begründet. Da die Verurteilung zur Zahlung der vorgerichtlichen Kosten vom LG mit der Berechtigung des Hauptbegehrens begründet worden war, genügten die Angriffe gegen die Verurteilung in der Hauptsache, um die Berufung auch hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der vorgerichtlichen Kosten zulässig zu machen (BGH NJW 1992, 1898).

2. Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

Ob die erhobenen Ansprüche gegen die WEG bestehen, ob also die WEG die richtige Beklagte ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

Ohne Belang für das Rechtsschutzbedürfnis ist es auch, ob das von den Klägern geplante Vorhaben baurechtlich in vollem Umfang zulässig ist. Nur wenn eine Bebauung überhaupt nicht möglich wäre, was angesichts des Schreibens der Baubehörde vom 16.2.2011 (K 5, Bl. 38) nicht ersichtlich ist, könnte das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehlen.

Ebenso wenig fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil nach Auffassung der Beklagten die Kläger nichts dazu vorgetragen haben, dass ohne Baulast eine Bebauung nicht möglich ist. Bereits mit der Klage legten die Kläger das Schreiben der Baubehörde vom 16.2.2011 (K 5, Bl. 38) vor, wonach eine Baulast wegen der Zufahrt für die Baugenehmigung erforderlich ist.

3. Antrag 1 ist nicht begründet.

a) Zu Recht beanstandet die Beklagte hinsichtlich Antrag 1 ihre Passivlegitimation. Für den Anspruch auf Bewilligung einer Baulast wären die einzelnen Wohnungseigentümer die richtigen Beklagten. Ihr Eigentum ist durch die Grunddienstbarkeit belastet, womit sie aus ihr verpflichtet sind und nicht die WEG in ihrer Gesamtheit.

Zu Unrecht berufen sich die Kläger auf § 10 Abs. 6 S. 3 WEG, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer ausübt und die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahrnimmt, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Die Vorschrift betrifft, wie sich schon aus ihrem Wortlaut ergibt, nur gemeinschaftsbezogene Rechte und Pflichten. Hier geht es jedoch, weil aus der Grunddienstbarkeit, auf die die Kläger ihren Anspruch stüt...

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