Leitsatz (amtlich)

1. Gewährt eine Internet-Apotheke Privatpatienten bei der Einreichung eines Rezepts einen Bonus, der nicht auf den Kaufpreis für das rezeptpflichtige Medikament, sondern im Falle, dass der Kunde später ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament erwirbt, auf dessen Kaufpreis verrechnet wird, so stellt dieser Bonus keinen Preisnachlass auf die Ausgangsbestellung des rezeptpflichtigen Medikaments dar. Er mindert daher nicht den diesbezüglichen Erstattungsanspruch des Kunden gegen seine private Krankenversicherung. Der Kunde ist daher nicht daher verpflichtet, diese über die Gewährung des Bonus zu unterrichten. Auch ein Abtretungsanspruch des Krankenversicherers besteht nicht.

2. Die Werbung der Internetapotheke für einen solchen Bonus stellt daher weder einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt gem. § 3 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG noch eine irreführende geschäftliche Handlung i. S. v. § 5 UWG dar.

3. Die Werbung einer Internet-Apotheke mit der Beteichnung "Die Rezept-Apotheke" stellt eine irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, die gegen § 5 UWG verstößt.

 

Normenkette

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 3 Abs. 2, §§ 5, 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 25.01.2018; Aktenzeichen 36 O 47/17 KfH)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.02.2020; Aktenzeichen I ZR 5/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2018 (Az.: 36 O 47/17 KfH) wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das in Ziffer 1 bezeichnete Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlussberufung in Ziffer 2 des Tenors

a b g e ä n d e r t und wie folgt n e u g e f a s s t:

Die Beklagte wird unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsanspruches auf Abmahnkosten und Zinsen verurteilt, an die Klägerin 1.246,33 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. Juni 2017 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen

von den Kosten des ersten Rechtszuges der Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

4. Dieses Urteil und das angefochtene landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen Zahlung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 b) des landgerichtlichen Urteilstenors durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 25.000,- EUR abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: für den ersten Rechtszug 320.000,- EUR, für den zweiten Rechtszug bis zur Teilrücknahme der Anschlussberufung 320.000,- EUR, danach 250.000,- EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Unterlassung aus Wettbewerbsrecht und stellt Nebenforderungen.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2018 (Az.: 36 O 47/17 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage in den Anträgen Ziffer 1.2 bis 1.4 und teilweise zur Kostenerstattung stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen und hierzu, soweit noch im Streit, ausgeführt:

Dem aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Kläger könne die in den Niederlanden ansässige Beklagte nach § 14 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. UWG, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auch vor dem Landgericht Stuttgart verklagen.

Der Klageantrag Ziffer 1.1 sei unbegründet. Die Beklagte verletze ihre Pflicht zur fachlichen Sorgfalt durch die angegriffene Werbung nicht. Der "Sofort-Bonus" sei kein Nachlass auf den Preis des verschreibungspflichtigen Medikaments. Der Kunde müsse dessen Preis in voller Höhe bezahlen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23.03.2017 - 2 U 113/16).

Der Klagantrag Nr. 1.3 sei begründet. Mit der Bezeichnung "Die Rezept-Apotheke" für den Vertrieb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu werben, sei irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit (vgl. § 43 AMG).

Der Klagantrag Nr. 2 auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten sei nur anteilig berechtigt, nämlich in Bezug auf die Abmahnung zu den Klaganträgen Ziff. 1.2 bis 1.4 mit einem darauf entfallenden Gegenstandswert in Höhe von 120.000,- EUR, der Anspruch bestehe in Höhe von 2.480,44 EUR nebst Zinsen seit dem Tag der Zustellung.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger Berufung, die Beklagte Anschlussberufung eingelegt, beide form- und fristgerecht und später mit einer prozessordnungsgemäßen Begründung versehen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts gegen die Anschlussberufung und trägt zu seiner Berufung vor:

Angesichts des Prinzips der konkreten Bedarfsdeckung in der Priva...

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