Leitsatz (amtlich)
Eine Unterschreitung der in der HOAI 1996 festgesetzten Mindestsätze durch ein schriftlich vereinbartes Pauschalhonorar ist gem. § 4 Abs. 2 HOAI im Hinblick auf eine enge wirtschaftliche Beziehung zwischen den Parteien möglich, wenn eine ausländische Gesellschaft, die den beklagten Architekten die Erbringung von Statikerleistungen auf Pauschalhonorarbasis vorgeschlagen hat und Vorarbeiten kostengünstig im Ausland (hier: in Bulgarien) durchführen kann, auf dieser Grundlage innerhalb von ca. drei Jahren in 17 Fällen mit der Erbringung von Statikerleistungen beauftragt wird, ohne dass diese Leistungen durch die beklagten Architekten ausgeschrieben werden. Hierzu bedarf es keines formalen Abschlusses eines entsprechenden Rahmenvertrages.
Normenkette
HOAI 1996 § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 22.12.2009; Aktenzeichen 21 O 519/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des LG Stuttgart vom 22.12.2009 (21 O 519/07) abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 7.891,84 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.8.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz fallen der Klägerin 85 % und den Beklagten 15 % und in zweiter Instanz der Klägerin 63 % und den Beklagten 37 % zur Last.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung jeweils i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert:
1. Instanz: 52.140,97 EUR
2. Instanz: 21.468,10 EUR
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung restlichen Honorars aus einem Vertrag zur Erbringung von Statikerleistungen.
Aufgrund des Angebots der Klägerin vom 26.9.2005 schlossen die Parteien den Vertrag vom 28.9.2005, wonach die Klägerin für die Beklagten hinsichtlich eines Bauvorhabens in M. Leistungen bezüglich der Tragwerksplanung und Baustatik zum Pauschalpreis von 35.000 EUR brutto erbringen sollte. Bei der Klägerin handelt es sich um eine bulgarische Gesellschaft. Ob die Klägerin eine Niederlassung in Deutschland hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hatte den Beklagten mit Schreiben vom 14.8.2003 ein Rahmenangebot hinsichtlich einer Zusammenarbeit auf Pauschalpreisbasis gemacht. Bezugspunkte sollten 3,25 EUR/m3 Bruttorauminhalt (BRI) sein. Ohne formal einen Rahmenvertrag abzuschließen, arbeiteten die Parteien bis zum Jahr 2005 bei 17 Bauvorhaben zusammen, wobei die Klägerin jeweils ihre Leistungen auf Basis eines Pauschalpreises anbot. Die Beklagten schrieben die jeweiligen Leistungen nicht aus, sondern beauftragten die Klägerin jeweils direkt. Die Arbeiten für die Beklagten machten in der Spitze ca. 20 % des Jahresumsatzes der Klägerin aus. Mit Schreiben vom 14.6.2007 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung weiterer Abschlagsrechnungen bezüglich des streitgegenständlichen Bauvorhabens auf. Ansonsten behalte sie sich vor, den Anspruch auf angemessene Entschädigung und etwaige weitergehende Ansprüche geltend zu machen, sowie den Anspruch auf eine Abrechnung ihrer Leistung nach HOAI rechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls geltend zu machen. Sie hoffe jedoch, dass die Beklagten ihre Zahlungspflicht termingerecht erfüllen und die genannten Schritte nicht notwendig sein würden.
Nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin eine weitere Zahlungsklage gegen die Beklagten i.H.v. 54.990,64 EUR beim LG Stuttgart (20 O 64/10) erhoben, mit der sie u.a. ihr Honorar auf der Grundlage der HOAI geltend macht.
Das LG hat einen Honoraranspruch von 48.576,26 EUR festgestellt, auf den die Beklagten bereits 27.108,16 EUR bezahlt hätten. Es verbleibe ein restlicher Honoraranspruch der Klägerin von 21.468,10 EUR zzgl. Nebenforderungen. Zwischen den Parteien sei keine wirksame Pauschalhonorarvereinbarung zustande gekommen, so dass die Mindestsätze nach HOAI als vereinbart gelten würden. Im vorliegenden Fall liege kein Ausnahmefall von § 4 Abs. 2 HOAI a.F. vor. Eine gelegentliche geschäftliche Beziehung, wie sie hier zwischen den Parteien bestehen würde, sei hierzu nicht ausreichend. Auch die Grundsätze von Treu und Glauben würden keine andere Beurteilung gebieten. Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen stehe fest, dass die Mindestsätze betreffend der Leistungsphasen 4 und 5 sowie der zu erbringenden Wärme-, Schall- und Brandschutznachweise deutlich unterschritten worden seien. Beide Parteien seien fachkundig. Die Klägerin unterhalte eine Niederlassung in Deutschland und unterliege hier den steuerrechtlichen Verpflichtungen. Der Umstand, dass die Beklagten ihr...