Leitsatz (amtlich)
1. Bietet eine Volksbank ihrem Kunden in einem Beratungsgespräch eine von ihrer Zentralbank oder ihrem Verband empfohlene Kapitalanlage an, deren Anlagekonzept einschließlich -prospekt sie selbst nicht auf wirtschaftliche Plausibilität geprüft hat, hat sie dem Kunden das Unterlassen der eigenen Prüfung und ggf. eine Prüfung durch die Zentralbank bzw. den Verband und das Ergebnis einer solchen Plausibilitätsprüfung zu offenbaren.
2. Jedenfalls wenn ein zentrales Organ von Banken die erforderliche Plausibilitätsprüfung eines Anlagekonzepts übernommen hat, ist auch die Auswertung von Berichten in Brancheninformationsdiensten zu der empfohlenen Kapitalanlage einzubeziehen und eine negative Berichterstattung (auch) mit sachlichem Inhalt ggü. dem Kunden - ggf. mit einer eigenen Bewertung - offen zu legen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung im Rahmen der dem zentralen Organ überlassenen Plausibilitätsprüfung muss sich die beratende Bank ggü. dem Kunden zurechnen lassen.
Normenkette
BGB §§ 278, 280
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 18.08.2006; Aktenzeichen 2 O 634/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des LG Ulm vom 18.8.2006 - 2 O 634/04 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten der Nebenintervention in der Berufungsinstanz trägt die Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 56.544 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds "D" vom 5.12.1994 geltend.
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann waren seit 1980 Stammkunden der Beklagten bzw. der von ihr übernommenen Volksbank E. Im November 1994 fanden zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits und dem Zeugen F., einem damaligen Mitarbeiter der Beklagten, Gespräche über eine Kapitalanlage statt, in deren Folge die Klägerin und ihr Ehemann am 5.12.1994 den Beteiligungsvertrag an dem geschlossenen Immobilienfonds "D." unterzeichneten. Den Gesprächen lag der Verkaufsprospekt der Streithelferin zugrunde.
Bereits in seiner Ausgabe vom 12.8.1994 hatte der Brancheninformationsdienst "kapital-markt intern" (kmi) einen Prospekt-Check über diesen Immobilienfonds veröffentlicht. In dieser Besprechung werden die sich aus dem Prospekt ergebenden Vor- und Nachteile der Kapitalanlage angesprochen. Im Fazit heißt es sodann: "Der Prospekt enthält nicht sämtliche Informationen, die für eine umfassende wirtschaftliche Beurteilung - und somit für eine Kapitalanlageentscheidung - erforderlich sind. Außerdem werden uns Anleger durch den gewählten Veräußerungsfaktor zu sehr reich gerechnet." Diese Veröffentlichung war nicht Gegenstand des Beratungsgesprächs.
Die Klägerin rügt, es sei von der Beklagten eine langfristige Kapitalanlage empfohlen worden, obwohl sie und ihr Mann die Erwartung gehabt hätten, dass die Kapitalanlage auch nach zwei Jahren wieder veräußert werden könne. Der Prospekt sei nicht aussagekräftig und halte einer Plausibilitätsprüfung nicht stand. Bei genauer Prüfung hätte die Beklagte erkennen müssen, dass die Kapitalanlage nicht wirtschaftlich sein könne. Der Prospekt enthalte, wie detailliert vorgetragen wird, zahlreiche Mängel und Unsicherheiten. Mit ihrer Klage begehrt sie die Anlagesumme zzgl. eines Agio von 5 % i.H.v. insgesamt 37.579,95 EUR sowie entgangenen Gewinn von 5 % pro Jahr vom 5.12.1994 bis 31.12.2004 i.H.v. 18.920,49 EUR. Der geltend gemachte Schaden ist sowohl im Hinblick auf den entgangenen Gewinn als auch bezüglich seiner Berechnung unter Berücksichtigung von erfolgten Ausschüttungen und steuerlichen Vorteilen strittig.
Die Beklagte bestreitet, dass nur eine kurzfristige Kapitalanlage bis zu zwei Jahren gewollt gewesen sei. Der Prospekt halte einer Plausibilitätskontrolle stand. Der Mitarbeiter F. habe auf die Berichterstattung in der Zeitschrift "kapital-markt intern" nicht hinweisen müssen.
Die Streithelferin ist der Auffassung, bei Berücksichtigung des gesamten Prospektinhalts biete der Prospekt ein vollständiges und zutreffendes Gesamtbild der Kapitalanlage einschließlich ihrer Chancen und vorhersehbaren Risiken.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Nach Vernehmung des Zeugen F. in der Sitzung vom 3.7.2006 (Bl. 319 ff.) hat das LG Ulm mit Grundurteil vom 18.8.2006 den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zwischen der Klägerin und der Beklagten sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die sich daraus ergebenden Pflichten habe die Beklagte verletzt, weil ihr damali...