Leitsatz (amtlich)
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog erfasst auch Schäden, die infolge eines Brandes durch Rauch- und Rußimmissionen an beweglichen Sachen entstehen, die vom Mieter eines benachbarten Gebäudes dort bestimmungsgemäß gelagert sind.
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 18.09.2006; Aktenzeichen 4 O 151/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des LG Ulm vom 18.9.2006 (Az.: 4 O 151/06) wird aufgehoben.
II. Der von der Klägerin verfolgte Anspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
III. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das LG Ulm zurückverwiesen.
IV. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 138.998,38 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht vom Beklagten die Erstattung von nach einem Brandschaden an den geschädigten Versicherungsnehmer erbrachten Regulierungsleistungen und außerdem den Ersatz vorgerichtlich angefallener und nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten.
Am 14.6.2004 kam es wegen eines defekten Küchengeräts zu einem Brand in der Wohnung des Beklagten in der. Das betroffene Gebäude ist unmittelbar an das Wohn- und Geschäftshaus gebaut, in welchem der Geschädigte in angemieteten Räumen einen Handel mit Lederartikeln im Rahmen einer Einzelfirma betreibt. Die Fa. hatte sowohl die Betriebseinrichtung als auch die Warenvorräte "bezüglich des Versicherungsortes Erdgeschoss und 1. OG", bei der Klägerin versichert. Außerdem bestand Versicherungsschutz für Betriebsunterbrechungsschäden.
Die Klägerin beauftragte nach dem Schadensfall den Sachverständigen Dipl.-Ing. mit der Schadensbegutachtung. Dieser ermittelte einen der Fa. entstandenen Schaden an Vorräten i.H.v. 118.510 EUR sowie einen Betriebsunterbrechungsschaden i.H.v. 17.000 EUR. Die Klägerin zahlte diese Beträge an ihren Versicherungsnehmer aus. Außerdem beglich sie die Rechnungen des Sachverständigen für dessen Gutachten i.H.v. 2.676,96 EUR sowie 811,42 EUR.
Die vom Sachverständigen ermittelten Schäden sowie die Sachverständigenkosten verlangte die Klägerin nebst einem Schaden am Gebäude i.H.v. 4.318,18 EUR vorgerichtlich vom Beklagten ersetzt. Dessen Haftpflichtversicherung regulierte jedoch lediglich den Gebäudeschaden und lehnte im Übrigen eine Regulierung ab. Den sich ergebenden noch offenen Gesamtbetrag i.H.v. 138.998,38 EUR macht die Klägerin nunmehr nebst Zinsen und außergerichtlich entstandener, nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.160,23 EUR im Wege der vorliegenden Klage geltend.
Sie trägt vor, durch den Brand seien Rauch, Ruß und Löschwasser in die versicherten Betriebsräume der Fa. gelangt. Dabei habe sich rauch- und rußhaltiges Brandgaskondensat in unterschiedlicher Intensität vom Dachgeschoss bis zum Keller auf sämtlichen dort gelagerten Warenvorräten niedergeschlagen. Der Sachverständige habe zwei Tage nach Schadenseintritt eine Bestandsaufnahme sämtlicher zum Schadenszeitpunkt in den versicherten Räumen befindlicher Warenvorräte durchgeführt. Die Höhe der Vorratsschäden und des Betriebsunterbrechungsschadens ergebe sich aus den vorgelegten Gutachten. Der Beklagte hafte für die entstandenen Schäden in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, der in Fällen der vorliegenden Art einen schadenersatzähnlichen Anspruch gewähre und auch Schäden an Betriebseinrichtungen, Warenvorräten und Betriebsunterbrechungen erfasse. Mit Auszahlung der genannten Beträge an den Geschädigten sei der Anspruch nach § 67 VVG auf sie übergegangen, wobei nicht entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer aus dem mit ihr bestehenden Versicherungsvertrag überhaupt Anspruch auf diese Leistung gehabt habe.
Der Beklagte tritt dem entgegen und bestreitet, dass Waren in dem von der Klägerin genannten Wert in den Räumen gelagert gewesen und beschädigt oder mit Brandgeruch beaufschlagt worden seien. Die Gutachten zu den Vorratschäden wie zur behaupteten Betriebsunterbrechung seien zur Darlegung des geltend gemachten Anspruchs ungeeignet, weil diese auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer abstellten und nicht auf mögliche Ansprüche nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung. Außerdem habe die Klägerin an den Versicherungsnehmer Leistungen erbracht, auf welche dieser keine Ansprüche gehabt habe. Versicherungsort sei nach den Vertragsbedingungen lediglich das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss des Gebäudes gewesen. In diesen Gebäudeteilen habe sich jedoch nur ein geringer Teil der als beschädigt gemeldeten Gegenstände befunden. Insoweit habe kein Forderungsübergang auf die Klägerin stattfinden können.
Im Übrigen vertritt er die Auffassung, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfasse auch im Rahmen von dessen analoger Anwendung die geltend gemachten Schäden nicht. Die Vorschrift gewähre nu...