Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sondervorschlag oder Nebenangebot eines Bieters welches den inhaltlichen und formellen Anforderungen des § 21 Nr. 1 und 2 VOB/A widerspricht, ist nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A zwingend von der Wertung ausgeschlossen.

2. Die Bestimmung des § 25 VOB/A dient vor allem dem Schutz des Auftraggebers und nicht des Bieters, der ein zu niedriges Angebot erstellt hat, so dass dieser sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, sein Angebot hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen.

3. Wenn der Auftraggeber nicht nur ein zwingend auszuschließendes Gebot berücksichtigt, sondern darüber hinaus gleichzeitig einem Bieter den Zuschlag erteilt, der vor der Auftragserteilung auf einen Kalkulationfehler und Erklärungssirrtum hingewiesen hat, kann ein widersprüchliches Verhalten vorliegen, welches ihn nicht berechtigt, von dem die Auftragserfüllung verweigernden Bieter Schadensersatz zu verlangen.

4. Vorausssetzung hierfür ist allerdings, dass ein offensichtlicher Fehler vorliegt, der so gewichtig ist, dass dem sich auf einen Kalkulationsirrtum berufenden Bieter ein Festhalten an seinem Angebot nicht zugemutet werden kann und, dass er von sich aus sämtliche Unterlagen an den Auftraggeber übermittelt, aus welchen sich der Kalkulationsfehler ermitteln lässt.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.04.2005; Aktenzeichen 15 O 491/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters des LG Stuttgart vom 26.4.2005 (Az.: 15 O 491/04) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 232.304,50 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Zusammenhang mit der Vergabe von Bauleistungen (Bau der Zipfelbachtalbrücke) im Zuge des Neubaus der B 14 bei Winnenden. Das entsprechende Bauwerk wurde im Dezember 2001 vom Straßenbauamt Schorndorf im Namen und für Rechnung der Klägerin zur Vergabe nach der VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Mit Schreiben des Straßenbauamts Schorndorf vom 14.5.2002 (Anlage K 4/Bl. 16 d.A.) erteilte die Klägerin der Beklagten auf einen Sondervorschlag 01 vom 27.2.2002 (Anlage K 2a/Bl. 52 d.A.) den Zuschlag für die ausgeschriebenen Arbeiten. Die Erfüllung des Auftrages hat die Beklagte mit Schreiben vom 23.5.2002 (Anlage K 6/Bl. 18 d.A.) abgelehnt, weil nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei und hat darüber hinaus ihr Angebot mit Schreiben vom 5.4.2002 (Anl. B 2/Bl. 42 d.A.) wegen Irrtums angefochten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, zwischen den Parteien sei kein wirksamer Vertrag zustande gekommen, da zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung am 14.5.2002 kein Angebot der Beklagten mehr vorlag, welches die Klägerin hätte annehmen können. Die Beklagte sei an ihr Angebot vom 27.2.2002 nicht gebunden gewesen, da dieses nicht annahmefähig und zwingend von der Wertung auszuschließen gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie rügt in erster Linie eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LG.

Das LG verkenne, dass ein Ausschluss des Sondervorschlages der Beklagten wegen fehlender Preisangaben nicht zwingend gewesen sei. Ein solcher habe vielmehr im Ermessen der Vergabestelle gestanden, was sich aus den Bewerbungsbedingungen sowie der herrschenden Meinung zur Soll-Vorschrift des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A ergebe. In Ziff. 4.5 der Bewerbungsbedingungen werde der Vergabestelle ein Ermessen bei dem Ausschluss von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen, die den in Ziff. 4.1 bis 4.4 genannten Anforderungen nicht entsprächen, eingeräumt. Diese Regelung in den Bewerbungsbedingungen gehe der gesetzlichen Regelung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vor.

Ein Ausschluss des Sondervorschlages der Beklagten sei weder aus Gründen des Wettbewerbs noch wegen fehlender Auskömmlichkeit des Angebots geboten gewesen, wie sich bereits bei einer überschlägigen Vergleichsberechnung zwischen dem Sondervorschlag und dem Hauptangebot der Beklagten ergebe.

Vor der Entscheidung des BGH vom 18.2.2003 (BGH v. 18.2.2003 - X ZB 43/02, BGHZ 154, 32 = BGHReport 2003, 560 m. Anm. Leschke = MDR 2003, 1069) sei auch unabhängig von der Regelung in Ziff. 4.5 der Bewerbungsbedingungen ein Ausschluss wegen Unvollständigkeit des Angebots nach der damals herrschenden Meinung nicht geboten gewesen. Die neue Rechtsprechung des BGH könne erst nach einer Übergangszeit angewendet werden. Des Weiteren würden in den Kommentierungen und Entscheidungen Nebenangebote ohnedies nicht behandelt. Bei Nebenangeboten trage der Bie...

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