Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 16 O 221/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.11.2018, Az. 16 O 221/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.735,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.12.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: WVGZZZ6Z8W002536, zzgl. beider Zulassungsbescheinigungen und Schlüssel.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.12.2017 zu bezahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 60 %, die Beklagte 40 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.609,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.

1. Die Klägerin kaufte am 02.04.2013 bei einem Vertragshändler der Beklagten ein gebrauchtes Kraftfahrzeug Modell VW Tiguan Sport & Style 2.0 mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, und verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Motors, Schadensersatz. Die Klägerin erwarb das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 112.000 km zum Preis von 14.609,99 EUR (vgl. Anlage K 1). Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 226.192 km auf.

Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.

Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrt-Bundesamt bezüglich der Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträglich eine Nebenbestimmung mit folgendem Wortlaut: "Zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der mit dieser Typgenehmigung oder einem ihrer Nachtragsstände genehmigten Aggregate des Typs EA 189 EU 5 sind die unzulässigen Abschalteinrichtungen (...) zu entfernen (...)."

Mit Bestätigung vom 01.06.2016 (Anl. B 6) hat das Kraftfahrt-Bundesamt den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware wird. Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat der auf Schadensersatz - in Form der Erstattung des Kaufpreises von 14.606,99 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - gerichteten Klage weitgehend stattgegeben. Es hat allerdings einen Ersatz für die gezogenen Nutzungen in Abzug gebracht und daher Zug um Zug lediglich zur Zahlung von 6.741,11 EUR zzgl. Zinsen verurteilt. Auch die zugesprochene Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hat das Landgericht niedriger angesetzt als beantragt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB zu. Die Klägerin habe durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Schaden in Form einer konkreten Vermögensgefährdung erlitten. Das Fahrzeug habe über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verfügt. Dadurch habe die Gefahr bestanden und bestehe noch, dass jederzeit die Zulassung widerrufen werden konnte und könne. In der Folge drohten Nutzungsbeschränkungen und ein Wertverlust. Die Beklagte habe dies adäquat kau...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge