Leitsatz (amtlich)
Eine Sache kommt nicht abhanden i.S.v. § 935 Abs. 1 BGB, wenn sie der mitbesitzende Alleineigentümer freiwillig ohne oder gegen den Willen des anderen Mitbesitzers weggibt
Normenkette
BGB § 935 Abs. 1, §§ 932, 866, 855
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 20.07.2012; Aktenzeichen 20 O 499/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 20.7.2012 (Az. 20 O 499/11) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 65.485 EUR
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten die Herausgabe eines Kraftfahrzeuges und Schadensersatz. Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Herausgabeklage abgewiesen, weil die Beklagte Eigentum am Fahrzeug jedenfalls gutgläubig erworben habe. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass der Zeuge P, von dem sie das Fahrzeug gekauft habe, der Eigentümer des Fahrzeuges gewesen sei. Es sei unschädlich, dass der Zeuge P nicht in der Zulassungsbescheinigung, Teil II, eingetragen gewesen sei, weil die Umschreibung auf den Zwischenhändler zu aufwendig wäre und ein Fahrzeug nach der Verkehrsanschauung umso mehr an Wert verliere, je mehr Eigentümer in den Fahrzeugpapieren eingetragen seien. Für die Beklagte habe es aufgrund der Gesamtumstände des Verkaufs - marktgerechter Verkaufspreis, telefonische Erreichbarkeit sowie zügige und zufriedenstellende Reaktion des Verkäufers auf ihre Beanstandungen - keine Veranlassung gegeben, an dem Eigentum des Verkäufers zu zweifeln. Dass der Zeuge P der Beklagten nicht schon bei der Übergabe des Fahrzeuges den zweiten Originalschlüssel, das Original-Bordbuch und das Service-Scheckheft übergeben habe, stehe der Gutgläubigkeit der Beklagten nicht entgegen. Denn wesentliche Gutglaubensträger wie die Fahrzeugpapiere habe die Beklagte sofort und im Original überreicht erhalten. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger anzurufen und ihn zu fragen, warum er das Fahrzeug nicht mehr in Besitz habe.
Der BMW sei dem Kläger nicht i.S.v. § 935 BGB abhanden gekommen. Er habe die vollständigen Fahrzeugpapiere und den Erstschlüssel des Fahrzeuges freiwillig weggegeben. Insoweit komme es nicht darauf an, ob er dies aufgrund eines Irrtums oder einer Täuschung getan habe. Ein Abhandenkommen aufgrund einer Drohung gegenüber dem Kläger im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs scheide ebenfalls aus. Ferner liege kein Abhandenkommen durch Unterschlagung vor. Der Zeuge F, der das Fahrzeug beim Kläger abgeholt habe, sei kein Besitzdiener des Klägers.
Die Ehefrau des Klägers sei nicht Eigentümerin des BMW gewesen. Wenn das Fahrzeug dem Kläger als Alleineigentümer nicht abhanden gekommen sei, könne es auch seiner Ehefrau als Mitbesitzerin nicht abhandenkommen.
Der Kläger ist der Auffassung, der BMW sei ihm abhanden gekommen, weil der Zeuge F den Wagen ohne seinen Willen weggeben habe. Wenn er den BMW dem Zeugen F mit der Maßgabe anvertraut habe, ihn lediglich der Bank vorzuführen und unverzüglich zurückzubringen, dann sei der Zeuge F in Bezug auf den Kläger Besitzdiener. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass es notwendig gewesen sei, der Bank den Kraftfahrzeugschein und den Kraftfahrzeugbrief vorzulegen, um sein lastenfreies Eigentum an dem Fahrzeug nachzuweisen.
Ferner sei der Ehefrau des Klägers ihr Mitbesitz abhanden gekommen. Entgegen der Auffassung des LG treffe das Gesetz keine Entscheidung zu der Frage, ob die Rechte eines Eigentümers stets weitergehen müssten als die Rechte des Besitzers. Ferner finde die vom LG gesehene angebliche Begünstigung des Mitbesitzers so nicht statt. Denn der Kläger als Eigentümer habe ebenfalls einen Herausgabeanspruch, weil auch ihm das Kraftfahrzeug abhanden gekommen sei. Der Zeuge F habe die Rechte der Zeugin A als Mitbesitzerin am BMW verletzt. Der Kläger habe das Fahrzeug ohne den Willen der Zeugin A an den Besitzdiener F ausgehändigt. Folglich sei ihr der BMW abhanden gekommen.
Die Beklagte sei nicht gutgläubig gewesen. Sie habe im Verfahren wegen der einstweiligen Verfügung vor dem LG Stuttgart und dem streitgegenständlichen Verfahren unterschiedliche Aussagen gemacht. Wegen des fehlenden Zweitschlüssel hätte die Beklagte nach dem Eigentümer fragen müssen. Auch der Umstand, dass der Kläger und nicht das Autohaus als Eigentümer in den Papieren eingetragen gewesen sei, hätte bei ihr eine erhöhte Vorsicht auslösen müssen. Auch sei der BMW von dem Autohändler weit unter dem Marktpreis angeboten worden.
Da die Zeugin A einen zweiten Schlüssel gehabt habe, habe sie den BMW mitnutzen können. Daher habe d...