Leitsatz (amtlich)
Nichtigkeit eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung wegen eines wucherähnlichen Geschäfts.
Zur Feststellung einer verwerflichen Gesinnung nach § 138 Abs. 1 BGB.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 26.11.2015; Aktenzeichen 12 O 480/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 26.11.2015, Az. 12 O 480/14 wird das Urteil dahin abgeändert, dass die im Tenor des LG unter Ziff. 2 zuerkannten vorgerichtlichen Anwaltskosten nur 2.743,43 EUR betragen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 141.393,03 EUR.
Gründe
A.I. Der Kläger verlangt vom Beklagten als Insolvenzverwalter der M. GmbH die Bewilligung der Freigabe eines hinterlegten Betrages von 141.393,09 EUR.
Die spätere Insolvenzschuldnerin verkaufte von ihr zu errichtende Photovoltaikanlagen. Auf ihren Wunsch eröffnete Rechtsanwalt M. für eine geplante Anlage in St ... am 30.07.2014 ein Treuhandkonto für Kaufpreiszahlungen zukünftiger Käufer (Anlagen B2, B11).
Der Kläger kaufte am 11.11.2013 die Photovoltaikanlagen Nr. 5, 6 und 10 des Projekts St ... für 155.380,68 EUR (Anlage K1) in der Hoffnung auf Rendite und Steuervorteile. Nach § 2 Abs. 2 des Kaufvertrages war der Kaufpreis binnen 14 Tagen an den "Treuhänder, Rechtsanwalt Matthias M.,... auf folgendes Rechtsanwaltsanderkonto ... zu bezahlen: Kontoinhaber: Matthias M., AK MES/PV-Anlage St ..., Kto Nr. 4 041 443, BLZ 600 501 01 ...".
Der Kläger schloss am 12.11.2013 mit dem Treuhänder einen "Treuhandvertrag Käufer Rückstellung" ab (Anlagen K2 und K2/1). Als Treugut genannt wird der Kaufpreis, den der Treuhänder u.a. Zug um Zug gegen Aushändigung der Eigentumsübertragungserklärung und in Raten (30 % bei Auftrag und Kaufvertrag, 60 % nach Baubeginn, 5 % nach Fertigstellung, 5 % nach endgültiger Abnahme) an die Insolvenzschuldnerin auszahlen sollte.
Diese schloss am 18.11.2013 mit dem Treuhänder ebenfalls einen "Treuhandvertrag Verkäufer Rückstellung" ab (Anlage B3). Als Treugut genannt wird die Eigentumsübertragungserklärung, die der Treuhänder u.a. Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises an den Kläger herausgeben sollte.
Am 30.01.2014 bezahlte der Kläger den vollen Kaufpreis auf das vorgesehene Konto des Treuhänders.
Am 02.02.2014 stellte die Insolvenzschuldnerin Insolvenzantrag, am 01.04.2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter und verlangte vom Treuhänder die Auszahlung des Kaufpreises an die Insolvenzmasse. Dazuhin lehnte der Beklagte am 30.06.2014 die Erfüllung des streitgegenständlichen Kaufvertrages ab (Anlage K7).
Der Treuhänder hinterlegte den Kaufpreis abzüglich bereits ausgekehrter Beträge von 16.337,88 EUR für Vertrieb, Rücklagen und sich selbst (Anlage B4) am 30.07.2014 beim AG (Anlage K12), nachdem der Kläger einer Auszahlung an den Beklagten nicht zugestimmt hatte. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger die Zustimmung zur Auszahlung an sich.
Rechtsanwalt M. wurde vom Kläger der Streit verkündet (Bl. 131), ein Beitritt erfolgte nicht.
II. Das LG hat der Klage stattgegeben.
Der Kläger habe gegen den Treuhänder einen Anspruch auf (Rück-) Zahlung des ihm überlassenen Kaufpreises aus § 667 BGB. Der Treuhänder könne das Geld nicht mehr auftragsgemäß verwenden und ratenweise an die Insolvenzschuldnerin auszahlen, weil diese die Anlage nicht mehr errichten werde. Das ihm überlassene Geld gehöre nicht zur Insolvenzmasse.
III. Gegen das ihm am 02.12.2015 zugestellte Urteil des LG hat der Beklagte am 23.12.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb bis 02.03.2016 verlängerter Frist begründet.
Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Treuhänder aus § 667 BGB, weil dieser als Rechtsanwalt keine Doppeltreuhand für beide Parteien hätten wahrnehmen dürfen, der Treuhandvertrag nichtig sei, und dem Kläger deshalb auch kein Anspruch aus § 667 BGB aus diesem Vertrag zustehe.
Selbst wenn der Vertrag wirksam zustande gekommen wäre, habe der Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung des Treuguts, jedenfalls keinen gegenüber dem Beklagten vorrangigen. Das Treuhandkonto, auf dem sich das Treugut befinde, sei dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin zuzuordnen. Der Kläger habe eigentlich kein Treugut an einen Treuhänder übergeben, sondern auf ein Konto der Insolvenzschuldnerin gezahlt. Jedenfalls sei das Konto vom Insolvenzbeschlag erfasst und gehöre zur Insolvenzmasse.
Das Treugut sei auf dem Konto, auf dem auch andere Beträge eingegangen seien, auch nicht aussonderungsfähig separiert worden. Es sei vielmehr mit anderen Beträge...