Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff des „Mobbing”. Gegen „Mobbing” ist i.d.R. kein den Amtshaftungsanspruch ausschließendes, zumutbares Rechtsmittel gegeben (Anschluss an BGH v. 1.8.2002 – III ZR 277/01, BGHReport 2002, 920 = NJW 2002, 3172).
1. Ein Amtshaftungsanspruch wegen „Mobbing” scheidet aus, wenn das Opfer sich auf im wesentlichen im mehrjährigem Abstand erteilte unterdurchschnittliche dienstliche Beurteilungen beruft. Es fehlt dann an einem ausreichenden, die Beurteilungen verbindenden Fortsetzungszusammenhang, wenn mit den Beurteilungen eine länger andauernde, unredliche anprangernde Wirkung nicht verbunden ist.
2. Insbesondere ist ein Fortsetzungszusammenhang und die für „Mobbing” erforderliche Systematik der Vorgehensweise dann zu verneinen, wenn die zu schlechten Beurteilungen aus der Sicht des Beamten oder objektiv jeweils unterschiedliche Ursachen haben.
3. Rechtmäßige, sich innerhalb des eingeräumten Beurteilungsspielraums haltende dienstliche Beurteilungen sind vom Beurteilten hinzunehmen und können auch unter dem Gesichtspunkt des „Mobbing” keine Haftung des Dienstherrn begründen, wenn nicht im Zusammenhang mit den Beurteilungen ein Schikanewillen erkennbar wird.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 21.02.2003; Aktenzeichen 15 O 385/02) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 21.2.2003 – 15 O 385/02 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 111.162,44 Euro
Gründe
I. Der Kläger begehrt vom beklagten Land Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsverletzung und Gesundheitsbeschädigung durch „Mobbing” seiner Dienstvorgesetzten im Wesentlichen im Rahmen seiner dienstlichen Beurteilungen.
Der Kläger, ein Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes, erwarb im Jahr 1987 die Befähigung für den mittleren Dienst der Kriminalpolizei. Über seine dienstlichen Leistungen erhielt er Regelbeurteilungen vom 17.5.1988, 18.9.1989, 13.1.1992, 13.1.1995 sowie Anlass-Beurteilungen vom 27.8.1998, 23.8.1999 bzw. 28.7.2000 und aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.2.2001 eine neue Anlass-Beurteilung vom 12.7.201. Bezüglich der Einzelheiten wird auf S. 3 des angegriffenen Urteils verwiesen.
Gegen die Regelbeurteilung vom 17.5.1988 hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Er habe sich mit fünf von acht Punkten im vorderen Mittelfeld der benoteten Kollegen befunden und sei deshalb zur Kriminalpolizei übernommen worden. Er behauptet, aufgrund seines Auslandeinsatzes als Personenschützer in Teheran vom 5.8.1988 bis 9.9.1989 sei auf Veranlassung des EKHK W., der die Bewerbung für den Auslandseinsatz nicht gern gesehen habe, die Regelbeurteilung vom 18.9.1989 ebenso zu schlecht ausgefallen wie die Regelbeurteilung vom 13.1.1992. EKHK W. habe insoweit Einfluss auf die jeweiligen Beurteiler genommen. Dies verdeutliche auch die Regelbeurteilung vom 13.1.1995, mit deren Ergebnis der Kläger offenbar zufrieden ist. Aus einem Notensprung von 0,75 Punkten ggü. der letzten Regelbeurteilung schließt er jedoch, dass er zuvor viel zu schlecht beurteilt wurde. Die Anlass-Beurteilungen vom 27.8. und 23.8.1999/28.7.2000 mit den Noten 2,0 und 1,75 seien jedoch wiederum zu schlecht ausgefallen, weil er ggü. EKHK K. die private Beziehung seines unmittelbaren Vorgesetzten in der C-Schicht, KHK P., mit einer Kollegin angeprangert und damit auch Kritik am gemeinsamen Dezernatsleiter EKHK K. geäußert habe. In einem Personalgespräch am 1.9.1999 mit KOR E., in dem er sich über die erneute zu schlechte Beurteilung beklagte, habe KOR E. schallend gelacht und ihm mitgeteilt, „er lache ihn nicht an, er lache ihn auch nicht aus, er lache, weil er zu dumm sei, die Zusammenhänge zu erkennen”.
Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Anlass-Beurteilung vom 23.8.1999 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Das Verwaltungsgericht erklärte, weil die einzelnen Leistungsmerkmale des Klägers in der angegriffenen dienstlichen Beurteilung alle überdurchschnittlich gut bewertet worden seien, passe hierzu eine Gesamtbeurteilung von 1,75, die nach der Benotungspraxis nicht überdurchschnittlich ist, nicht. Daraufhin wurde die Anlass-Beurteilung vom 28.7.2000 neu erstellt, jedoch die Gesamtnote 1,75 beibehalten. Am 13.2.2001 wurde daraufhin der Beklagte verurteilt, die Anlass-Beurteilung aufzuheben und den Kläger neu zu bescheiden. Am 12.7.2001 erging wiederum eine neue Fassung der Anlass-Beurteilung mit ggü. der Anlass-Beurteilung vom 23.8.1999 schlechteren Einzelbeurteilungen und wiederum mit der Note 1,75. Der Antrag des Klägers auf Vollstreckung des Urteils vom 13.2.2001 gem. § 172 VwGO wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschl. v. 13.12.200...